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Text des Urteils
6 Sa 684/10;
Verkündet am: 
 30.11.2010
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
9 Ca 3991/09
Arbeitsgericht
Regensburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Kann Urlaub wegen arbeitsunfähiger Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht tatsächlich genommen werden, so ist dieser mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten
Leitsatz des Gerichts:
§ 7 Abs. 3, 4 BUrlG; §§ 195, 199, 206 BGB

1. Kann Urlaub wegen arbeitsunfähiger Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht tatsächlich genommen werden, so ist dieser mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Die infolge Arbeitsunfähigkeit zu nehmenden Urlaubsansprüche verjähren infolge ihrer gesetzlichen Befristung nicht.

2. Selbst wenn man eine grundsätzliche Verjährungsmöglichkeit der Urlaubsansprüche annehmen wollte, wäre die Verjährungsfrist infolge arbeitsunfähigkeitsbedingt dauernder Unmöglichkeit der tatsächlichen Urlaubsnahme nach § 206 BGB gehemmt.
In dem Rechtsstreit

B.
B-Straße, B-Stadt
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtssekretäre C. DGB Rechtsschutz GmbH,
Büro C-Stadt
C-Straße, C-Stadt

gegen
E.,
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte A.
A-Straße, A-Stadt

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Künzl, den ehrenamtlichen Richter Hermann und die ehrenamtliche Richterin Lindner für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 20. Mai 2010 – 9 Ca 3991/09 – in der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 15/38, die Beklagte 23/38.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2004 und 2005.

Der Kläger war zunächst befristet seit 27. Aug. 2001 und seit 1. Juli 2003 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bis 28. Feb. 2009 bei der Beklagten bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von € 2.245,95 beschäftigt. Seit dem 28. Okt. 2004 war der Kläger durchgehend bis zu seinem Ausscheiden arbeitsunfähig erkrankt. Seit 14. Juni 2005 ist der Kläger als schwer behinderter Mensch anerkannt. Seit 1. März 2006 bezog er Erwerbsminderungsrente auf Zeit, seit 1. März 2009 Erwerbsminderungsrente auf Dauer.

Mit Schreiben vom 3. Feb. 2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Abgeltung offener Urlaubsansprüche seit 2004 geltend. Die offenen Urlaubsansprüche aus den Jahren ab 2006 hat die Beklagte abgegolten.

Mit seiner am 14. Dez. 2009 beim Arbeitsgericht Regensburg eingegangenen und der Beklagten am 22. Dez. 2009 zugestellten Klage vom 14. Dez. 2009 begehrt der Kläger zunächst die Abgeltung von noch offenen 5 gesetzlichen Urlaubstagen für 2005 sowie des gesetzlichen Urlaubs von 20 Tagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs für 2005.

Im Termin vor dem Arbeitsgericht am 29. Apr. 2010 hat der Kläger seinen Klageantrag reduziert. Eine Rücknahme der Klage im Übrigen ist dem Protokoll nicht zu entnehmen; ebenso fehlt jegliche Begründung für die Reduzierung des Klageantrags im Protokoll, wie auch in der nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Entscheidung.

Er hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.303,22 brutto zzgl. 5 % Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet ein, 2004 seien bereits 25 Urlaubstage eingebracht, weswegen der gesetzliche Urlaub bereits verbraucht sei. Der Urlaub aus 2005 sei verfallen, da er nicht bis 30. Sept. 2007 angetreten worden sei. Im Übrigen seien die Ansprüche bereits verjährt.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat der Klage mit Endurteil vom 20. Mai 2010 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Urlaubsanspruch 2004 sei nicht verjährt. Der Urlaubsanspruch entstehe nicht mit Ablauf der Wartezeit bzw. nach deren Ablauf mit Beginn eines jeden Urlaubsjahres. Sei ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, könne der Urlaub weder verlangt noch erfüllt werden. Somit werde der Anspruch erst mit Wiedergenesung fällig. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandle sich der Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch um. Für diesen komme es nicht mehr auf die vorherige Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches an. Diesen grundsätzlichen Überlegungen liefe es zuwider, könnte der Urlaubsanspruch zwischenzeitlich verjähren.

Gegen dieses ihr am 22. Juni 2010 zugestellte Endurteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010, der am selben Tag per Telefax am Landesarbeitsgericht eingegangen war, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 31. Aug. 2010, der am selben Tag per Telefax eingegangen war, begründet, nachdem auf ihren Antrag hin die Begründungsfrist bis 17. Sept. 2010 verlängert worden war.

Unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag führt die Beklagte aus, sie habe hinsichtlich des Urlaubsanspruchs 2005 entsprechend der seinerzeitigen Rechtslage davon ausgehen dürfen, dieser werde mit Ablauf des 31. März des Folgejahres verfallen sein. Ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung bestehe jedenfalls ab der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Schultz-Hoff nicht mehr. Diese sei aber erst 2010 ergangen. Jedenfalls seien die Urlaubsansprüche verjährt. Die Fälligkeit des Anspruches sei nur grundsätzliche Voraussetzung für den Lauf der Verjährungsfrist; maßgeblich komme es auf die Anspruchsentstehung an. Ein entstandener Anspruch könne aber, unabhängig von einer zeitweiligen Unerfüllbarkeit, verjähren.

Sie beantragt

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 20.05.2010 – 9 Ca 3991/09 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Für den Beginn der Verjährungsfrist komme es auf die Fälligkeit des Anspruches an, die bei arbeitsunfähiger Erkrankung für den Urlaubsanspruch gerade nicht gegeben sei. Dieser könne erst nach Gesundung des Arbeitnehmers geltend gemacht werden.

Hinsichtlich des Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 14. Dez. 2009 (Bl. 14 ff. d. A.) und vom 13. Sept. 2009 (Bl. 127 ff. d. A.), der Beklagten vom 17. Feb. 2010 (Bl. 14 ff. d. A.) und vom 31. Aug. 2010 (Bl. 105 ff. d. A.), sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 29. Apr. 2010 (Bl. 52 f. d. A.) und vom 16. Nov. 2010 (Bl. 133 f. d. A.) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung hat in der Hauptsache keinen Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft und in rechter Form und Frist eingelegt (§ 66 Abs. 1, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 519, § 520 ZPO).

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend zur Abgeltung auch des Urlaubsanspruches (gesetzlicher Jahresurlaub und Schwerbehindertenzusatzurlaub) für 2005 verurteilt (§ 7 Abs. 4 BUrlG; § 1125 SGB IX). Abzuändern war die Entscheidung allerdings hinsichtlich des Kostenpunktes, da die teilweise Klagerücknahme des Klägers keine Berücksichtigung gefunden hatte (vgl. aber § 46 Abs. 2 ArbGG, § 269 Abs. 3 ZPO).

1. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger auch den gesetzlichen Jahresurlaub 2004 sowie den anteiligen Schwerbehindertenzusatzurlaub 2004 abzugelten.

Der Urlaubsanspruch ist nicht verjährt, wie das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat. Ebenso kann sich die Beklagte auch nicht - was seitens des Arbeitsgerichtes nicht thematisiert worden war – auf die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens auf die bisherige, anders lautende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen. Dieses Vertrauen war nicht erst seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. 1. 2009 (– Rs C-350/06, NZA 2009, 135), sondern bereits seit 1996 nicht mehr schützenswert (vgl. BAG v. 23. 3. 2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810).

a. Die Beklagte kann sich nicht auf den Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen.

Das Bundesarbeitsgericht nahm in seiner Rechtsprechung seit 1982 eine Befristung des Urlaubsanspruchs und den Verfall des Urlaubs-(abgeltungs-)anspruches mit Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraumes auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit an. Ungeachtet der grundsätzlichen Geeignetheit, das Vertrauen der Arbeitgeberseite in die Fortdauer dieser Rechtsprechung zu begründen, war die Vertrauensgrundlage jedoch mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die erste Arbeitszeitrichtlinie RL 93/104/EG am 23. Nov. 1996 entfallen. Seither war das Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung nicht länger schutzwürdig (BAG v. 23. 3. 2010, a.a.O., unter Rz. 101; ebenso LAG Düsseldorf v. 5. 5. 2010 – 7 Sa 1571/09, ArbR 2010, 535, unter Rz. 59; allgemein zum Vertrauensschutz Höpfner, RdA 2006, 156, 157; Tillmanns, Festschrift für Buchner, 2009, S. 885, 894). Dieser Ansicht schließt sich die erkennende Kammer an.

Angesichts dessen kommt es auf die weitere Frage eines widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten, die z.B. den offenen (gesetzlichen) Jahresurlaub 2006 dem Kläger abgegolten hatte, obschon sie zu diesem Zeitpunkt in gleicher Weise auf den Fortbestand der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hatte vertrauen können, nicht mehr an.

b. Der Urlaubsanspruch 2005 ist ebenso nicht verjährt. Eine Verjährung des Urlaubsanspruches kommt wegen seiner Befristung nicht zur Anwendung (Düwell, AnwK-ArbR, 2. Aufl., § 7 BUrlG Rz. 91).

Doch selbst wenn man den Urlaubsanspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB unterwerfen wollte (so z.B. LAG Düsseldorf v. 18. 8. 2010 – 12 Sa 650/10, unter Rz. 41 ff. m.w.N., vgl. BB 2010, 2564 Ls.), wäre der Lauf der Verjährungsfrist infolge andauernder Erkrankung des Arbeitnehmers – wie im vorliegenden Fall – nach § 206 BGB gehemmt.

aa. Urlaubsansprüche verjähren wegen ihrer Befristung auf das Urlaubsjahr bzw. auf den Übertragungszeitraum (§ 7 Abs. 3 BUrlG) nicht.

Dies entsprach bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. 1. 2009 (– Rs. C-350/06, NZA 2009, 135 [Schultz-Hoff]) der überwiegenden Ansicht (vgl. ErfK/Dörner, 9. Aufl., § 7 BUrlG Rz. 63; Leinemann/Linck, BUrlG, 2. Aufl., § 7 Rz. 229; Zimmermann in: Anold/Ackermann/Rambach/Steuerer/Thiel-Koch/Tillmanns/Zimmermann, BUrlG 1. Aufl., § 13 Rz. 36; Schütz in: Schütz/Hauck, Gesetzliches und tarifliches Urlaubsrecht, 1996, Rz. 151). Teilweise angestellte Überlegungen, wann eine wegen der Bindung an das Urlaubsjahr unerhebliche Verjährungsfrist begänne (vgl. GK-BUrlG/Bleistein, 5. Aufl., § 1 Rz. 115; Neumann/Fenski, BUrlG, 9. Aufl., § 13 Rz. 78), waren danach im Ergebnis überflüssig (so Leinemann/Linck, a.a.O.).

Auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ist weiterhin an der Befristung des Urlaubsanspruches für die Annahme seiner Unverjährbarkeit festzuhalten. So hebt Düwell (in: AnwK-ArbR, 2. Aufl., § 7 BUrlG Rz. 91; ders., dbr 2009, Heft 8, S. 9, 11; ebenso ErfK/Dörner/Gallner, 11. Aufl., § 7 BUrlG Rz. 63) darauf ab, dass der wegen Krankheit nicht verfallende (gesetzliche) Urlaubsanspruch dem Urlaubsanspruch des Folgejahres zugeschlagen werde und mit diesem wiederum auf das nachfolgende Urlaubsjahr befristet sei. Solange derart eine perpetuierende Übertragung des Urlaubsanspruches erfolge, sei für die Annahme der Verjährung des Urlaubsanspruches kein Raum. Die insbesondere von Genenger (Anm. LAGE § 7 BUrlG Nr. 22 [zu LAG Düsseldorf v. 2. 2. 2009 – 12 Sa 486/06]) als sozialpolitisch problematisch empfundene lange Bindung des Arbeitgebers an krankheitsbedingt nicht einzubringende Urlaubsansprüche nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. 1. 2010 (a.a.O.) sei zwar verständlich; diese sei aber im Hinblick auf die Unterschiede zwischen Freistellungs- und Abgeltungsanspruch hinzunehmen.

bb. Wenn demgegenüber zumindest nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. 1. 2010 (a.a.O.) teilweise eine Verjährung auch des Urlaubsanspruches nach §§ 195, 199 BGB angenommen wird (LAG Düsseldorf v. 18. 8. 2010, a.a.O. unter Rz. 30 ff.; Genenger, a.a.O.; ebenso Hohmeister in: Hohmeister/Goretzki/Oppermann, BUrlG, 2. Aufl., § 1 Rz. 21; § 13 Rz. 70, jeweils aber unter unzutreffender Berufung auf BAG v. 11. 4. 2006 – 9 AZR 523/05, das in dieser Entscheidung allein den Urlaubsersatzanspruch (Schadenersatz) der Verjährung unterworfen hatte), ist dem nicht zuzustimmen.

Insbesondere das LAG Düsseldorf (Urt. v. 18. 8. 2010, a.a.O.) hält die Unverjährbarkeit des Urlaubsanspruches als contra legem aufgestellt. Die dreijährige Verjährung erfasste „prinzipiell sämtliche Ansprüche und demzufolge auch gesetzlich unabdingbare Ansprüche.“ Da sie das Effektivitäts- und Äquivalenzprinzip wahre, sei „die nach nationalem Recht vorgesehene Verjährung des Urlaubsanspruches aus unionsrechtlicher Sicht unbedenklich.“ (LAG Düsseldorf, a.a.O. Rz. 31). § 194 Abs. 1 BGB nehme befristete Ansprüche nicht von der Verjährung aus; es sei eine andere Sache, ob diese Verjährungsfrist bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20. 1. 2010 (a.a.O.) wegen der angenommenen Befristung des Urlaubsgewährungsanspruches praktisch keine Rolle gespielt habe. Dies gelte umso mehr, als der Anspruch über das Urlaubsjahr und den Übertragungszeitraum hinaus fortbestehe, wenn er wegen Erkrankung des Arbeitnehmers tatsächlich nicht habe eingebracht werden können (LAG Düsseldorf, a.a.O., Rz. 33). Die Verjährung des Urlaubsanspruches beginne nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Ablauf des Urlaubsjahres, in dem der Anspruch entstanden sei (vgl. § 1 BUrlG). Für die Fälligkeit des Urlaubsanspruches komme es nicht auf ein Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers an; der Urlaubsanspruch sei kein verhaltener Anspruch (BAG v. 24. 3. 2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 unter Rz. 23). Auch sei die Fälligkeit von der Erteilung und Verwirklichung des Urlaubs zu unterscheiden; Letzteres sei kein Anspruchselement, sondern Erfüllungshandlung (LAG Düsseldorf a.a.O., Rz. 34, 35; vgl. auch Neumann/Fenski, a.a.O., § 7 Rz. 2). Die Verjährung des Urlaubsanspruches könne der Arbeitnehmer durch Klageerhebung hemmen. Dazu reiche die Erhebung einer Feststellungsklage aus; eine Leistungsklage sei nicht geboten (LAG Düsseldorf, a.a.O., Rz. 37, unter Hinweis auf BGH v. 15. 3. 2006 – VIIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588, unter Rz. 12; PWW/Kesseler, BGB 4. Aufl., § 199 Rz. 3).

Dagegen spricht, dass der wegen Krankheit nicht verfallende (gesetzliche) Urlaub dem Urlaubsanspruch des Folgejahres zugeschlagen, also Teil des im nächsten Kalenderjahr entstandenen Urlaubs wird und damit seinerseits wieder auf das betreffende Kalenderjahr befristet ist (so ausdrücklich Düwell in: AnwK-ArbR, a.a.O.). Bringt der Arbeitnehmer trotz rechtzeitiger Wiedergenesung den Urlaubsanspruch dann nicht ein, so verfällt er mit Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, das Nicht-Einbringen beruht auf betrieblichen (erneuten) gesundheitlichen Gründen (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Angesichts dieser ständigen Befristungsregelung ist für eine Verjährung des Urlaubsanspruches kein Raum.

cc. Doch selbst wenn man die Annahme einer Verjährung des Urlaubsanspruches teilte, wäre diese vorliegend nach § 206 BGB infolge der Erkrankung des Klägers, die ein Einbringen seiner Urlaubsansprüche unmöglich gemacht hatte, gehemmt gewesen.

aaa. Der zuletzt vom Kläger noch geltend gemachte Urlaubsanspruch wäre bei bloßer Berücksichtigung der 3-Jahres-Frist der §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt. Dabei spielt es keine Rolle, welche Urlaubsansprüche der Kläger zuletzt noch geltend macht. Die ursprünglich eingeklagte Forderung für die offenen Ansprüche aus den Jahren 2004 und 2005 hat er im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht reduziert. Die dafür maßgeblichen Überlegungen sind aber weder einem klägerischen Schriftsatz noch dem Protokoll des Arbeitsgerichts vom 29. Apr. 2009 zu entnehmen. Auch ist der zurückgenommene Zahlbetrag jedenfalls nicht allein durch die Rücknahme eines Anspruches auf Abgeltung des Urlaubs aus 2004 zu erklären. Da allerdings das arbeitsgerichtliche Endurteil – allerdings auch ohne weitere Erläuterung – nur mehr einen Anspruch auf Abgeltung des (gesetzlichen) Jahresurlaubs 2005 ausweist, wird diesseits davon ausgegangen, dass die erfolgte teilweise Klagerücknahme nicht nur den Urlaub 2004, sondern auch den über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden Urlaubsanspruch 2005 erfassen sollte. Letztlich spielt dies aber keine Rolle, da die Verjährungsproblematik für Urlaubsansprüche aus 2004 und 2005 im Ergebnis gleich ist.

bbb. Die Verjährungsfrist hinsichtlich des Urlaubsanspruches hätte mit Ablauf des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, begonnen.

Das Entstehen des Anspruches wird grundsätzlich mit der Fälligkeit des Anspruches gleichgesetzt, doch sind beide Begriffe nicht deckungsgleich. Die auf die Auslegungsmaxime des § 271 Abs. 1 BGB bezogene grundsätzliche Gleichsetzung von Entstehung und Fälligkeit eines Anspruches ist auf einmalige Leistungshandlungen zugeschnitten und passt nicht auf wiederkehrend entstehende Leistungspflichten im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses (LAG Düsseldorf v. 18. 8. 2010, a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 2. 2. 2008 – 12 Sa 486/06, LAGE BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 22). Der Urlaubsanspruch ist vielmehr entstanden, wenn er gerichtlich durchgesetzt werden kann, wofür auch die Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage ausreicht (vgl. BGH v. 8. 7. 2008 – XI ZR 230/07, NJW-RR 2009, 378, unter Rz. 17 (juris); BGH v. 19. 12. 1990 – VIII ARZ 5/90, NJW 1991, 836 unter Rz. 10 (juris); BGH v. 23. 3. 1987 – II ZR 190/86, NJW 1987, 1887, unter Rz. 16 (juris); BGH v. 20. 1. 1982 – IVa ZR 283/80, NJW 1982, 1288; Bamberger/Roth/Henrich/Spindler, BGB 2. Aufl., § 199 Rz. 4; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB 12. Aufl., § 199 Rz. 3; MünchKomm/Grothe, BGB 5. Aufl., § 199 Rz. 4; Palandt/Ellenberger, BGB 69. Aufl., § 199 Rz. 3; PWW/Kesseler, BGB 5. Aufl., § 199 Rz. 3; Staudinger/Peters/Jacobs, BGB Bearb. 2009, § 199 Rz. 3). Die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB wäre damit für den Urlaubsanspruch 2004 mit Ablauf des Jahres 2007, für den Anspruch aus 2005 mit Ablauf des Jahres 2008 abgelaufen gewesen.

ccc. Allerdings wäre die Verjährungsfrist wegen der Erkrankung des Klägers nach § 206 BGB gehemmt gewesen, obschon er keine Feststellungsklage erhoben hatte.

Zwar hätte der Kläger durch Erhebung auch einer Feststellungsklage die – unterstellte – Verjährungsfrist hinsichtlich seiner Urlaubsansprüche nach § 204 Nr. 1 BGB hemmen können (vgl. nur BGH v. 20. 1. 1982, a.a.O.; LAG Düsseldorf v. 18. 8. 2010, a.a.O. unter Rz. 37; Erman/Schmidt-Räntsch, a.a.O., Rz. 3; MünchKomm/Grothe, a.a.O., Rz. 3; PWW/ Kesseler, a.a.O., Rz. 3; Staudinger/Peters/Jacobs, a.a.O., Rz. 3). Dies stellt allerdings eine bloße Option, keine Verpflichtung des anspruchsberechtigten Gläubigers dar (Staundinger/Peters/Jacobs, a.a.O.). Insbesondere ist der Arbeitnehmer (Gläubiger) dann nicht zu einer Klageerhebung verpflichtet, wenn die Verjährung bereits anderweit, hier nach § 206 BGB, gehemmt ist. Nach dieser Norm ist die Verjährung gehemmt, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Denn der Kläger war durch höhere Gewalt (krankheitsbedingt) gehindert, seine Urlaubsansprüche durchzusetzen. Die Hinderung lag insbesondere auch während der letzten 6 Monate der rechnerischen Verjährungsfrist vor. Die bestehende Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage schließt die Hemmungsfolge nicht aus. Denn eine Rechtsverfolgung i.S. dieser Vorschrift bedingte die gegebene Möglichkeit der Realisierung des zugrundeliegenden Anspruches, also des Anspruches aus Urlaubserteilung, was aber gerade durch die fortbestehende Grunderkrankung des Klägers ausgeschlossen war.

ddd. Die Annahme höherer Gewalt ist nur unter strengen Anforderungen möglich (BAG v. 7. 11. 2002 – 2 AZR 297/01, NZA 2003, 963; BGH v. 7. 5. 1997 – VII ZR 253/96, BB 1997, 1383), wobei der Begriff im Wesentlichen dem des unabwendbaren Zufalls entspricht (Staudinger/Peters/Jacobs, a.a.O. § 206 Rz. 4; MünchKomm/Grothe, a.a.O. § 206 Rz. 3). Höhere Gewalt kann bei äußeren Ereignissen, aber auch in sonstigen Fällen, wie etwa Fehlern amtlicher Stellen (BAG v. 7. 11. 2002, a.a.O.), aber auch in Fällen der Krankheit (BGH v. 13. 11. 1962 – VI ZR 228/60, VersR 1963, 93) gegeben sein. Sie liegt jedoch stets nur dann vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen oder Umständen beruht, die auch durch die äußerste, billigerweise noch zu erwartende Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (ebenso BAG v. 7. 11. 2002, a.a.O.; BGH v. 7. 5. 1997 – VIII ZR 253/96, NJW 1997, 3164; BGH v. 24. 9. 1981 – IX ZR 93/80, NJW 1982, 96; Bamberger/Roth/Henrich, a.a.O., § 206 Rz. 3; Erman/Schmidt-Räntsch, a.a.O. § 206 Rz. 4; Palandt/Ellenberger, a.a.O. § 206 Rz. 4; Staudinger/Peters/Jacobs, a.a.O. § 206 Rz. 4). Bereits geringstes Verschulden schließt höhere Gewalt aus (BAG v. 7. 11. 2002, a.a.O.; BGH v. 24. 9. 1981, a.a.O.; MünchKomm/Grothe, a.a.O. § 206 Rz. 4; Staudinger/Peters/Jacobs, a.a.O. § 206 Rn. 4).

Als einen Fall höherer Gewalt ist auch derjenige einer Erkrankung anzunehmen, wenn der Gläubiger dadurch seine Angelegenheiten nicht mehr besorgen kann (BGH v. 13. 11. 1962 – VI ZR 228/60, VersR 1963, 93; Bamberger/Roth/Henrich, a.a.O., § 206 Rz. 4; MünchKomm/Grothe, a.a.O., § 206 Rz. 8; PWW/Kesseler, a.a.O., § 206 Rz. 2; Staudinger/Peters/Jacobs, a.a.O., § 206 Rz. 18). Dabei kann es nicht darauf ankommen, dass der Erkrankte infolge dessen keinerlei eigene Angelegenheiten mehr besorgen kann. Vielmehr reicht es aus, dass die Besorgung genau der konkreten Angelegenheit, deren Verjährung droht, nicht mehr erfolgen kann. Diese Voraussetzungen wären vorliegend jedenfalls gegeben. Denn der Kläger war durch höhere Gewalt, durch seine nicht vorhersehbare Erkrankung im Jahr 2004, die ihm auch keinerlei rechtzeitige Vorsorge ermöglichte, gehindert, die nachfolgend entstehenden Urlaubsansprüche einzubringen. Er konnte deren Verjährung nicht durch Beantragung des offenen Urlaubs verhindern; auch ein Abgeltungsverlangen schied während des bestehenden Arbeitsverhältnisses aus (vgl. § 7 Abs. 4 BUrlG). Eine mögliche Verhinderung durch Erhebung einer Feststellungsklage stellte nur eine Option, jedoch keine Verpflichtung dar, durfte demnach außer Acht gelassen bleiben.

2. Abzuändern war allerdings die arbeitsgerichtliche Kostenentscheidung.

Denn der Kläger hatte seinen ursprünglichen Klageantrag von begehrten € 3.822,92 brutto auf die Zahlung von nur mehr € 2.303,22 brutto reduziert. Wenngleich das Arbeitsgericht den zuletzt gestellten Klageantrag nur „mit der Maßgabe“ der geringeren Forderung im Protokoll vom 29. Apr. 2009 aufgenommen hatte, handelte es sich der Sache nach um eine Klagerücknahme. Insoweit hatte der Kläger die Kosten anteilig, also in Höhe von 15/38 zu tragen; der Beklagten waren nur die darüber hinausgehenden Kosten im Umfang von 23/38 aufzuerlegen (§ 269 Abs. 3 ZPO).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Eine Kostenquotelung war wegen des geringen Umfanges des Obsiegens der Beklagten hinsichtlich des Kostenpunktes nicht veranlasst.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen.

Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände

- für ihre Mitglieder

- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder

oder

von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,

- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt

- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.

Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de/.

Dr. Künzl Hermann Lindner Für den ausgeschiedenen ehrenamtlichen Richter Hermann Dr. Künzl
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Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist).