Text des Beschlusses
2 W 31/10;
Verkündet am:
13.09.2010
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 23 O 381/09 Landgericht Stendal; Rechtskräftig: unbekannt! Es bestehen Bedenken, ob Beiordnung eines ausländischen Rechtsanwalts, der nicht verpflichtet ist, im Falle seiner Beiordnung das Mandat auch zu den Konditionen der Beiordnung zu übernehmen, vorzunehmen ist Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: 1. Es bestehen Bedenken, ob die Beiordnung eines im Ausland niedergelassenen Rechtsanwalts, der nicht verpflichtet ist, im Falle seiner Beiordnung das Mandat auch zu den Konditionen der Beiordnung zu übernehmen, vorzunehmen ist, wenn der Anwalt zuvor nicht ausdrücklich seine Bereitschaft hierzu erklärt hat. 2. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines ausländischen Verkehrsanwaltes ergibt sich nicht schon daraus, dass in dem vor einem deutschen Gericht geführten Rechtsstreit die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt. In dem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe … hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann am 13. September 2010 beschlossen: Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal vom 22. Februar 2010, ergänzt durch den Beschluss vom 19. März 2010, wird zurückgewiesen. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet. Die Antragsgegnerin ist die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners. Antragstellerin und Unfallgegner sind jeweils polnische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Polen. Das Unfallfahrzeug der Antragstellerin ist in Polen zugelassen; das Fahrzeug des Unfallgegners trug ein deutsches Überführungskennzeichen. Das Landgericht Stendal hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 10. Februar 2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihr den o.g. Verfahrensbevollmächtigten zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts zur Vertretung in diesem Rechtsstreit beigeordnet. Darauf hin hat die Antragstellerin beantragt, „unter Erweiterung“ des vorgenannten Beschlusses die Beiordnung eines in Polen ansässigen Rechtsanwaltes anzuordnen. Das Landgericht hat diesen Antrag so verstanden, dass statt des bisher beigeordneten Rechtsanwalts ein ausländischer Rechtsanwalt beigeordnet werden solle, und hat diesen Antrag mit Beschluss vom 22. Februar 2010 zurückgewiesen. Gegen diesen am 2. März 2010 an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin formlos abgesandten Beschluss hat die Antragstellerin am 18. März 2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat klar gestellt, dass sie die Beiordnung eines in Polen niedergelassenen Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt begehre. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass nach Ansicht des erkennenden Gerichts polnisches Recht auf den Schadensfall anzuwenden sei – wie seinem Hinweis zu entnehmen sei – und dass ihrem deutschen Verfahrensbevollmächtigten weder das Aufsuchen noch das Übersetzen oder Interpretieren polnischer Rechtstexte zuzumuten sei. Mit weiterem Schriftsatz hat die Antragstellerin einen polnischen Rechtsanwalt benannt, der bereit sei, das Mandat als Verkehrsanwalt zu übernehmen, soweit Prozesskostenhilfe für die Beiordnung als Verkehrsanwalt bewilligt worden sei. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und den Antrag auf Beiordnung eines Verkehrsanwaltes mit Beschluss vom 19. März 2010 zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung eines Verkehrsanwalts seien nicht vorgetragen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es dem bisher beigeordneten Rechtsanwalt in geringerem Umfange als etwa dem erkennenden Gericht zumutbar sei, sich mit polnischem Recht auseinanderzusetzen. Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren nochmals klar gestellt, dass sie keinen Austausch der Rechtsanwälte – d.h. eine Aufhebung der bisherigen Beiordnung und statt dessen eine Beiordnung des genannten polnischen Rechtsanwalts –, sondern allein eine zusätzliche Beiordnung des polnischen Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt anstrebe. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. I. Soweit das Landgericht eine Beiordnung des polnischen Rechtsanwalts als Hauptbevollmächtigten der Antragstellerin abgelehnt hat, wendet sich die Antragstellerin hiergegen nicht. Sie hat vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass es ihr von Anfang an ausschließlich und zusätzlich zur bereits erfolgten Beiordnung eines deutschen Rechtsanwalts um die weitere Beiordnung des polnischen Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt ging. II. Das Landgericht hat in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 19. März 2010 zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Beiordnung eines ausländischen Verkehrsanwalts zumindest derzeit nicht vorliegen. Auch das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. 1. Es kann hier offen bleiben, ob die Beiordnung eines im Ausland niedergelassenen Rechtsanwalts überhaupt zulässig ist. Zweifel könnten insbesondere angebracht sein, wenn ein Rechtsanwalt, der nicht den Regelungen der BRAO unterworfen und demnach nicht verpflichtet ist, im Falle einer Beiordnung das Mandat auch zu den Konditionen der Beiordnung zu übernehmen, beigeordnet werden soll, ohne zuvor seine Bereitschaft hierzu erklärt zu haben (grundsätzlich ablehnend: OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.11.1997, 16 WF 448/97 und 449/97 – OLGR Stuttgart 1998, 91 – zitiert nach juris, dort Rn. 5 bis 7 m.w.N.; ebenso: OLG Bamberg, Beschluss v. 21.09.1976, 2 W 61/76 – NJW 1977, 113, und OLG Köln, Beschluss v. 29.01.1975, 17 W 264/74 – NJW 1975, 1607; bejahend: OLG Bamberg, Beschluss v. 14.07.1997, 7 WF 75/97 – FamRZ 1997, 1543 – dort aber freiwillig zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 27.06.2001, 2 UF 12/01 – FamRZ 2002, 481; OLG Nürnberg, Beschluss v. 19.04.2004, 7 WF 1247/04 – MDR 2004, 1017). Die Beiordnung des benannten polnischen Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt scheitert jedenfalls am Fehlen der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 4 ZPO. 2. Nach § 121 Abs. 4 Alt. 2 ZPO kann einer (potenziellen) Prozesspartei, wie hier der Antragstellerin, ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl, hier der benannte polnische Rechtsanwalt, zur Vermittlung des Verkehrs mit dem (Haupt-)Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, „... wenn besondere Umstände dies erfordern ...“. Die Vorschrift besagt zweierlei: Erstens ist Grundvoraussetzung, dass aufgrund atypischer, besonderer Umstände die Beiordnung eines Verkehrs- oder Korrespondenzanwaltes notwendig ist zur beabsichtigten Rechtsverfolgung. Zweitens besteht selbst im Falle einer solchen Erforderlichkeit noch ein Ermessen des Gerichts, ob es einen Verkehrsanwalt auf Kosten der Allgemeinheit beiordnet, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass eine Partei, die alle Kosten selbst zu tragen hätte, ungeachtet der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines zweiten Rechtsanwalts nochmals eine Abwägung zwischen den (erhöhten) Kostenrisiken und den Erfolgsaussichten vornehmen würde. 3. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines polnischen Verkehrsanwaltes ist nicht ersichtlich und jedenfalls von der Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt. a) Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt vom jeweiligen Antragsteller darzulegen ist (vgl. nur Geimer in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 121 Rn. 18). Dieser Anforderung ist die Antragstellerin nicht gerecht geworden. b) Allein der Umstand, dass – vorbehaltlich einer immer noch möglichen Wahl des deutschen Rechts nach Art. 42 EGBGB – nach Art. 40 Abs. 2 EGBGB das polnische Recht der unerlaubten Handlung zur Anwendung kommt, macht die Beiordnung eines polnischen Rechtsanwalts als Verkehrsanwalt nicht erforderlich. aa) Ein Kommunikationsproblem zwischen der Antragstellerin und ihrem Hauptbevollmächtigten ist nicht erkennbar. Der Verkehrsanwalt soll der Partei die Kommunikation mit dem Hauptbevollmächtigten ermöglichen und ihr bzw. dem Hauptbevollmächtigten die Reise zu einem Gespräch zwischen dem Anwalt und seiner Mandantin ersparen (vgl. dazu Völker/ Zempel in: Prütting/ Gehrlein, ZPO, 1. Aufl. 2010, § 121 Rn. 13). Die Antragstellerin hatte jedoch offensichtlich keine Mühe, ihrem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten den entscheidungserheblichen Sachverhalt in allen Einzelheiten in deutscher Sprache zu schildern. bb) Soweit wegen der z.T. widersprüchlichen Darstellungen des Unfallverlaufs und insbesondere der Unfallursachen eine Beweisaufnahme nötig werden sollte, wird diese wegen der Wahl eines deutschen Gerichtes durch die Antragstellerin in der Gerichtssprache Deutsch durchgeführt werden. Sprachliche Schwierigkeiten allein für die Antragstellerin, die die Hinzuziehung eines polnischen Rechtsanwaltes erforderlich machten, sind danach nicht zu besorgen. cc) Im Übrigen verkennt die Antragstellerin offensichtlich die Funktion eines Verkehrsanwalts. Es erscheint nach dem bisherigen Vorbringen der Antragstellerin so, als werde die Beiordnung des Verkehrsanwalts hier lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Erleichterung der Arbeit des Hauptbevollmächtigten erstrebt. Dass die Rechtslage nach polnischem Deliktsrecht unübersichtlich und kompliziert wäre, behauptet jedoch selbst die Antragstellerin nicht. Sie hat vielmehr eingeräumt, sich mit der Rechtslage nach polnischem Recht bislang nicht befasst zu haben, was einschließt, dass sie deren Schwierigkeit derzeit gar nicht beurteilen kann. Zudem hat sie unberücksichtigt gelassen, dass dann, wenn es auf eine Frage des ausländischen Rechts ankommt, auch im Rechtsstreit die Einholung einer Expertise durch das Gericht in Betracht kommt. c) Weitere besondere Umstände des vorliegenden Falls, insbesondere solche in der Person der Antragstellerin liegende Gründe, sind nicht ersichtlich. 4. Hilfsweise ist darauf zu verweisen, dass selbst dann, wenn hier eine Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verkehrsanwaltes unterstellt werden würde, jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass das Landgericht das ihm zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte. Der vergleichende Hinweis auf adäquate Schwierigkeiten des Prozessgegners und des Gerichts bei der Beschäftigung mit dem ausländischen Recht zeigt, dass das Landgericht auch eine eigenständige wertende Betrachtung vorgenommen hat, ohne dabei die Grenzen des ihm vorgegebenen Ermessensspielraums zu überschreiten. III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 und 127 Abs. 4 ZPO. gez. Wiedemann Richter am Oberlandesgericht ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? 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