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Pressemitteilung
C-407/09;
Verkündet am: 
 31.03.2011
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Griechenland zur Zahlung eines Pauschalbetrags von 3 Millionen Euro wegen verspäteter Umsetzung der Richtlinie über die Entschädigung der Opfer von Straftaten verurteilt
Leitsatz des Gerichts:
Griechenland wird zur Zahlung eines Pauschalbetrags von 3 Millionen Euro wegen verspäteter Umsetzung der Richtlinie über die Entschädigung der Opfer von Straftaten verurteilt

Die Maßnahmen zur Erleichterung der Entschädigung tragen zur Verwirklichung der Freizügigkeit und zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Unionsbürgern bei, die sich von einem Mitgliedstaat in einen anderen begeben
Mit der Richtlinie zur Entschädigung der Opfer von Straftaten1 wird bezweckt, ein System der Zusammenarbeit einzuführen, damit Opfer von Straftaten in grenzüberschreitenden Fällen leichter Zugang zur Entschädigung erhalten.

Die Richtlinie geht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zurück, der in der Vergangenheit bereits entschieden hat2, dass, wenn das Gemeinschaftsrecht einer natürlichen Person die Freiheit garantiert, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, zwingende Folge dieser Freizügigkeit ist, dass Leib und Leben dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat in gleicher Weise geschützt sind, wie dies bei den eigenen Staatsangehörigen und den in diesem Staat wohnhaften Personen der Fall ist.

Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 1. Juli 2005 umzusetzen.

Die Kommission erhob beim Gerichtshof eine erste Vertragsverletzungsklage gegen Griechenland wegen nicht fristgerechter Umsetzung der Richtlinie.

Mit einem ersten Urteil von 20073 stellte der Gerichtshof fest, dass Griechenland die Frist für den Erlass der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um der Richtlinie nachzukommen, überschritten hatte.

Im Oktober 2009 erhob die Kommission eine zweite Vertragsverletzungsklage, nachdem sie festgestellt hatte, das Griechenland das Urteil von 2007 noch immer nicht durchgeführt hatte. Sie beantragte die Verurteilung Griechenlands zur Zahlung eines Zwangsgelds in Höhe von 72 532,80 Euro für jeden Tag des Verzugs (vom Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zum Tag, an dem das Urteil Kommission/Griechenland von 2007 durchgeführt ist) und eines Pauschalbetrags von 10 512 Euro für jeden Tag des Verzugs während der Zeit vom ersten Urteil bis zum Urteil in der vorliegenden Rechtssache oder bis zum Erlass der Durchführungsmaßnahmen, sollte dies früher der Fall sein.

Am 18. Dezember 2009 machte Griechenland ein Gesetz bekannt, das nach dem Vortrag dieses Mitgliedstaats und der Kommission die vollständige Durchführung des Urteils von 2007 gewährleistet. Infolgedessen hat die Kommission den Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgelds zurückgenommen.

In seinem heute verkündeten Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die Verhängung eines Pauschalbetrags auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen beruht, insbesondere wenn die Vertragsverletzung seit dem ersten Urteil lange Zeit fortbestanden hat.

Zwar legt der Vertrag4 keine Frist fest, innerhalb deren einem Urteil nachzukommen ist, doch steht fest, dass mit der Durchführung eines Urteils unverzüglich zu beginnen und dass sie möglichst rasch abzuschließen ist.

Für die Entscheidung über den Antrag auf Verhängung eines Pauschalbetrags sind nach den Ausführungen des Gerichtshofs sämtliche Umstände der vorgeworfenen Vertragsverletzung, insbesondere die Haltung des Mitgliedstaats sowie die Dauer und die Schwere des Verstoßes, zu berücksichtigen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die griechischen Behörden sowohl das Mahnschreiben als auch die mit Gründen versehene Stellungnahme mit erheblicher Verspätung beantwortet haben und dass der Verstoß erhebliche Zeit angedauert hat, nämlich 29 Monate vom Tag der Verkündung des ersten Urteils bis zum Tag der Bekanntmachung des Gesetzes, das die nationalen Rechtsvorschriften mit dem Tenor dieses Urteils in Einklang gebracht hat.

Die Berufung Griechenlands auf interne Schwierigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren oder der Abhaltung vorzeitiger Neuwahlen, können keinen Erfolg haben.

Im Übrigen unterstreicht der Gerichtshof die Schwere der Vertragsverletzung, da sie die Verwirklichung einer Grundfreiheit beeinträchtigt, und zwar die Freizügigkeit in einem einheitlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Nach dem Geist der Richtlinie selbst ist der Schutz der körperlichen Unversehrtheit eines Angehörigen der Europäischen Union, der sich von einem Mitgliedstaat in einen anderen begibt, zwingende Folge des Rechts auf Freizügigkeit. Die in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen zur Erleichterung der Entschädigung der Opfer von Straftaten sollen daher zur Verwirklichung dieser Freiheit beitragen.

Der Gerichtshof stellt zum einen fest, dass Griechenland die vorgeworfene Vertragsverletzung abgestellt hat. Zum anderen berücksichtigt er die Zahlungsfähigkeit dieses Mitgliedstaats, wie sie sich nach den neuesten seiner Würdigung zugrunde gelegten Wirtschaftsdaten darstellt.

Aus diesen Gründen verurteilt der Gerichtshof Griechenland zur Zahlung eines Pauschalbetrags von drei Millionen Euro5 auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Union“ der Kommission.

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1 Richtlinie 2004/80/EG des Rates vom 29. April 2004 zur Entschädigung der Opfer von Straftaten (ABl. L 261, S. 15).
2 Urteil vom 2. Februar 1989, Cowan (186/87).
3 Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Griechenland (C-26/07).
4 Art. 228 EG (jetzt Art. 260 AEUV).
5 Angesichts der Dauer der Vertragsverletzung – 29 Monate, also 870 Tage (zwischen Juli 2007, als das erste Urteil erging, und Dezember 2009, als die Richtlinie in die interne Rechtsordnung umgesetzt wurde) und auf der Grundlage des von der Kommission zunächst vorgeschlagenen Betrags hätte Griechenland ungefähr 9,15 Millionen Euro an den Haushalt der Union entrichten müssen.

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HINWEIS: Eine Vertragsverletzungsklage, die sich gegen einen Mitgliedstaat richtet, der gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, kann von der Kommission oder einem anderen Mitgliedstaat erhoben werden. Stellt der Gerichtshof die Vertragsverletzung fest, hat der betreffende Mitgliedstaat dem Urteil unverzüglich nachzukommen.
Ist die Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nachgekommen ist, kann sie erneut klagen und finanzielle Sanktionen beantragen. Hat ein Mitgliedstaat der Kommission die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie nicht mitgeteilt, kann der Gerichtshof auf Vorschlag der Kommission jedoch bereits mit dem ersten Urteil Sanktionen verhängen.
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