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Pressemitteilung
C-235/09;
Verkündet am: 
 12.04.2011
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Das von nationalem Gericht als Gemeinschaftsmarkengericht ausgesprochene Verbot einer Markenverletzung erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union
Leitsatz des Gerichts:
Das von einem nationalen Gericht als Gemeinschaftsmarkengericht ausgesprochene Verbot einer Markenverletzung erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union

Eine Zwangsmaßnahme – wie ein Zwangsgeld –, die dieses Verbot sicherstellen soll, entfaltet grundsätzlich Wirkungen in diesem Gebiet
Die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke1 schafft ein Markensystem der Gemeinschaft, welches den Unternehmen ermöglicht, Gemeinschaftsmarken zu erwerben, die einen einheitlichen Schutz genießen und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft wirksam sind.

Um diesen Schutz zu gewährleisten, sieht die Verordnung vor, dass die Mitgliedstaaten für ihr Gebiet „Gemeinschaftsmarkengerichte” benennen, die für alle Klagen wegen Verletzung und – falls das nationale Recht diese zulässt – wegen drohender Verletzung einer Gemeinschaftsmarke zuständig sind. Stellt ein Gemeinschaftsmarkengericht eine Verletzung oder eine drohende Verletzung einer Gemeinschaftsmarke fest, erlässt es einen Beschluss, der dem Verletzer verbietet, die Handlungen, die die Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen. Es trifft ferner nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass dieses Verbot befolgt wird.

Die Gesellschaft Chronopost SA ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke und der französischen Marke „WEBSHIPPING”, die im Jahr 2000 angemeldet und für Dienstleistungen im Bereich Logistik und Übertragung von Informationen, Abholung von Postsendungen sowie Eilpostdienst eingetragen wurden. Trotz dieser Eintragung verwendete die DHL Express France SAS (die Rechtsnachfolgerin von DHL International ist) denselben Ausdruck zur Bezeichnung eines hauptsächlich über Internet zugänglichen Eilbriefdiensts.

Mit Urteil vom 15. März 2006 verurteilte das Tribunal de grande instance de Paris (Frankreich) in seiner Eigenschaft als Gemeinschaftsmarkengericht DHL Express France wegen Verletzung der französischen Marke WEBSHIPPING, es entschied jedoch nicht über die Verletzung der Gemeinschaftsmarke.

Die von Chronopost angerufene Cour d’appel bestätigte dieses Urteil am 9. November 2007 und verbot DHL Express France unter Androhung eines Zwangsgelds die Fortsetzung der Benutzung der Zeichen „WEBSHIPPING“ und „WEB SHIPPING“.

Dem Antrag von Chronopost, das Verbot auf das gesamte Gebiet der Gemeinschaft zu erstrecken, gab sie indessen nicht statt.

DHL Express France legte ein Rechtsmittel ein, welches zurückgewiesen wurde.

Da Chronopost jedoch ein Anschlussrechtsmittel gegen die territoriale Beschränkung des Verbots und des Zwangsgelds eingelegt hatte, hat die Cour de cassation es für erforderlich gehalten, den Gerichtshof um Vorabentscheidung über diese Frage zu ersuchen.

Der Gerichtshof antwortet erstens, dass die Verordnung dahin auszulegen ist, dass sich ein von einem nationalen Gericht als Gemeinschaftsmarkengericht ausgesprochenes Verbot grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union erstreckt.

Zur Begründung führt der Gerichtshof aus, dass die territoriale Reichweite eines von einem Gemeinschaftsmarkengericht angeordneten Verbots durch zwei Elemente bestimmt wird, nämlich die territoriale Zuständigkeit dieses Gerichts und das ausschließliche Recht des Inhabers der Gemeinschaftsmarke.

Zum einen ist die territoriale Zuständigkeit des Markengerichts für die Entscheidung über alle Klagen wegen Verletzung und – falls das nationale Recht diese zulässt – wegen drohender Verletzung einer Gemeinschaftsmarke ausschließlich. Daher ist dieses Gericht u. a. für Verletzungshandlungen im Gebiet eines jeden Mitgliedstaats zuständig. Mithin erstreckt sich seine Zuständigkeit grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union.

Zum anderen erstreckt sich das ausschließliche Recht des Inhabers einer Gemeinschaftsmarke grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union, in dem die Gemeinschaftsmarken einen einheitlichen Schutz genießen und wirksam sind.

Die Gemeinschaftsmarke hat nämlich einen einheitlichen Charakter, der das mit der Gemeinschaftsmarke verliehene Recht im gesamten Gebiet der Union einheitlich gegen die Gefahr der Verletzung schützen soll. Um diesen einheitlichen Schutz zu garantieren, muss sich das von einem Gemeinschaftsmarkengericht ausgesprochene Verbot, die Handlungen fortzusetzen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, grundsätzlich auf das gesamte Gebiet der Union erstrecken.

Die territoriale Reichweite des Verbots kann jedoch in bestimmten Fällen begrenzt sein. Das ausschließliche Recht wird dem Inhaber der Gemeinschaftsmarke gewährt, damit er sich versichern kann, dass die Marke ihre Funktionen erfüllen kann2. Die Ausübung dieses Rechts muss daher auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte.

Daher muss das Gemeinschaftsmarkengericht die territoriale Reichweite des von ihm ausgesprochenen Verbots begrenzen, wenn es feststellt, dass die Handlungen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, sich auf einen Mitgliedstaat oder einen Teil des Gebiets der Union beschränken, etwa weil derjenige, der das Verbot beantragt, die territoriale Reichweite seiner Klage beschränkt hat oder weil der Beklagte den Beweis erbringt, dass die Benutzung des fraglichen Zeichens insbesondere aus sprachlichen Gründen die Funktionen der Marke nicht beeinträchtigt oder nicht beeinträchtigen kann.

Zweitens entfaltet eine von einem Gemeinschaftsmarkengericht nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts angeordnete Zwangsmaßnahme über den Staat hinaus, dem das Gericht angehört, in den anderen Mitgliedstaaten Wirkungen.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass Zwangsmaßnahmen – wie ein Zwangsgeld (eine bei Nichtbefolgung des Verbots zu zahlende Geldstrafe) –, die ein Gemeinschaftsmarkengericht nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts anordnet, sicherstellen sollen, dass ein von ihm ausgesprochenes Verbot der Fortsetzung von Handlungen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, befolgt wird. Außerdem können diese Maßnahmen nur dann wirksam sein, wenn sie in demselben Gebiet wirken wie dem, in dem die gerichtliche Verbotsentscheidung selbst Wirkungen entfaltet.

Wird ein Gericht eines Mitgliedstaats angerufen, in dem das Verbot verletzt worden ist, muss es daher, um die Befolgung des Verbots sicherzustellen, die mit Zwangsmaßnahmen bewehrte Entscheidung nach den Regeln und Modalitäten seines innerstaatlichen Rechts anerkennen und vollstrecken. Denn nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sind die Mitgliedstaaten und ihre Gerichte verpflichtet, den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen3.

Sieht das Recht des Mitgliedstaats keine Zwangsmaßnahmen vor, die den vom Gemeinschaftsmarkengericht, das das Verbot ausgesprochen hat, eines anderen Mitgliedstaats angeordneten ähnlich sind, muss das angerufene Gericht dieses Mitgliedstaats das repressive Ziel erreichen, indem es die einschlägigen Bestimmungen seines innerstaatlichen Rechts heranzieht, um die Befolgung des ursprünglich ausgesprochenen Verbots in gleichwertiger Weise zu gewährleisten.

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1 Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1).
2 Zu diesen Funktionen gehören insbesondere der Schutz der Herkunft der Ware oder der Dienstleistung und der Schutz des Bildes der Marke.
3 Das am 27. September 1968 unterzeichnete, durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) ersetzte Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) sieht die gegenseitige Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen unter den Mitgliedstaaten vor.

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HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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