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Text des Beschlusses
4 U 111/08;
Verkündet am: 
 09.03.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
7 O 2347/02
Landgericht
Erfurt;
Rechtskräftig: unbekannt!
Aufnahme eines Haftungsvorbehalts - hier auf beschränkte Erbenhaftung - in einen das Verfahren abschließenden Kostenbeschluss kann nur im Berichtigungs- und Ergänzungsverfahren nach § 321 ZPO erfolgen
Leitsatz des Gerichts:
§ 321 ZPO

1. Die Aufnahme eines Haftungsvorbehalts - hier auf beschränkte Erbenhaftung - in einen das Verfahren abschließenden Kostenbeschluss (hier nach § 516 Abs. 3 ZPO) kann nur im Berichtigungs- und Ergänzungsverfahren nach § 321 ZPO erfolgen; dieses Verfahren findet entsprechend Anwendung, wenn ein Instanzenzug nicht durch Endurteil, sondern durch Beschluss - hier gemäß § 516 Abs. 3 ZPO - beendet wurde.

2. Auch wenn der das Verfahren beendende Kostenbeschluss den Parteien nicht zugestellt wurde, ist ein statthafter Ergänzungsantrag innerhalb einer Frist von 2 Wochen zu stellen. Die 2-Wochen-Frist des § 321 ZPO Frist beginnt mit dem Zugang des Beschlusses, d.h. der Möglichkeit seiner Kenntnisnahme. Ist der Antrag verfristet, ist er als unzulässig zu verwerfen.
In dem Rechtsstreit
1. A. O. D.
2. I. D.
- Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen
Klinik GmbH
- Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser am 09.03.2011 beschlossen:

I. Der Antrag der Berufungskläger, den Kostenbeschluss (§ 516 Abs. 3 ZPO) vom 31.08.2010 zu berichtigen oder zu ergänzen, wird als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

II. Der Berufungsstreitwert wird auf 70.000 € festgesetzt.



Gründe:


I.

Nachdem er die wegen (streitiger) Fehlbehandlung erhobene Arzthaftungsklage in erster Instanz verloren und gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Erfurt Berufung eingelegt hatte, verstarb der Kläger S. D. am 31.01.2010.

Seine Eltern A. und I. D. haben das (noch) von ihrem Sohn selbst begonnene Berufungsverfahren als dessen Erben und Rechtsnachfolger fortgeführt. Mit dem die Aufnahme des Rechtsstreits (anstelle des verstorbenen Klägers) erklärenden Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.04.2010 (Bd. III Bl. 532f.) haben die (neuen) Berufungskläger zugleich den Antrag angekündigt, ihnen gemäß § 780 ZPO die beschränkte Erbenhaftung für die bis zur Aufnahme entstandenen Kosten vorzubehalten.

Im Verhandlungstermin vom 31.08.2010 (Verhandlungsprotokoll Bd. III Bl. 561ff.) hat der Prozessbevollmächtigte der Berufungskläger – in Anwesenheit und nach Rücksprache mit der Berufungsklägerin zu 2. – die Berufungsrücknahme erklärt; weitere Prozesserklärungen oder Sachanträge wurden nicht abgegeben, bzw. gestellt. Im Anschluss an die Berufungsrücknahme hat der Senat sogleich noch im Verhandlungstermin (bei fortdauernder Präsenz der Berufungsklägerin zu 2. und der Prozessbevollmächtigten beider Parteien) den Kostenbeschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO verkündet, der lautet wie folgt:

„Die Kläger sind des Rechtsmittels der Berufung verlustig; sie haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 516 Abs. 3 ZPO).“

Mit Schriftsatz vom 13.10.2010 – eingegangen an diesem Tag – beantragen die Berufungskläger nun die Berichtigung, bzw. (hilfsweise) Ergänzung des Kostenbeschlusses um den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung.

Dieser Antrag ist zu verwerfen. Er ist wegen Versäumung der Zwei-Wochen-Frist des § 321 Abs. 2 ZPO (bereits) unzulässig.

Bei dem Antrag, die Beschränkung der Erbenhaftung im Grundtitel vorzubehalten, handelt es sich um eine Einrede, die die Geltendmachung einer materiell-rechtlichen Haftungsbeschränkung im Vollstreckungsverfahren ermöglichen soll. Obwohl die Vorschrift des § 780 ZPO von ihrem Wortlaut her lediglich von einem Haftungsvorbehalt in einem Urteil (als Grundtitel) ausgeht, kann auch der das Verfahren in erster oder in zweiter Instanz abschließende Kostenbeschluss (§§ 269 Abs. 3, 4; 516 Abs. 3 ZPO) einen Vorbehalt enthalten. Ein solches teleologisches (über den Wortlaut hinausgehendes) Verständnis des § 780 ZPO gebietet die Prozessökonomie. Dass der Kläger / Berufungskläger nur deshalb an seiner Klage oder seiner Berufung festhält (festhalten muss), um durch das (vorauszusehende) klageabweisende bzw. die Berufung zurückweisende Urteil den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zu erlangen, ist nicht einzusehen (im Ergebnis ebenso Stöber in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 780, Rdnr. 7).

Eine mithin mögliche Aufnahme des Haftungsvorbehalts in den deklaratorischen Kostenbeschluss des § 516 Abs. 3 ZPO ist hier mit der Folge versehentlich unterblieben, dass (nur) ein Beschlussergänzungs-, nicht aber ein Beschlussberichtigungsverfahren in Betracht kam.

§ 321 ZPO kommt zur Anwendung, wenn ein geltend gemachter Anspruch völlig übergangen; d.h. überhaupt nicht Gegenstand der Entscheidung war. Ergibt sich hingegen eindeutig aus den Urteilsgründen, dass eine Entscheidung über den Anspruch gewollt und nur der Urteilsausspruch (insoweit) in der Formel unterlassen wurde, ist auf § 319 ZPO zurückzugreifen.

Diese Grundsätze zur Abgrenzung des (auf Beschlüsse entsprechend anwendbaren) Urteilsergänzungsverfahrens nach § 321 ZPO und des (bei Beschlüssen gleichfalls entsprechend anwendbaren) Urteilsberichtigungsverfahrens nach § 319 ZPO vorausgeschickt, kann auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nur § 321 ZPO (entsprechende) Anwendung finden. Mit der versehentlich übergangenen Einrede der beschränkten Erbenhaftung liegt nicht nur eine Tenorierungs-, sondern eine Entscheidungslücke vor, die nur mit dem Ergänzungsverfahren des § 321 ZPO hätte geschlossen werden können (ebenso OLG Schleswig MDR 2005, 350; OLG Koblenz NJW-RR 1997, 1160).

Einen solchen allein statthaften Ergänzungsantrag haben die Berufungskläger – wenn auch nur hilfsweise – zwar gestellt; dabei aber die Zwei-Wochen-Frist zur Antragseinlegung versäumt.

Die Zwei-Wochen-Frist des § 321 Abs. 2 ZPO beginnt bei zustellungsbedürftigen Beschlüssen mit deren Zustellung (OLG München MDR 2003, 522); sonst mit Beschlusszugang (Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 321, Rdnr. 7).

Für den Kostenbeschluss vom 31.08.2010 bestand kein Zustellungserfordernis. Es lag weder ein Fall des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO, noch des Abs. 3 der Vorschrift vor. Der Beschluss enthielt keine Terminsbestimmung und setzte auch keine echte Frist (zur Rechtsmitteleinlegung oder –begründung) in Lauf; § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO war also nicht einschlägig. Als nicht anfechtbare Kostengrundentscheidung ohne die – erst dem Kostenfestsetzungsbeschluss zukommende – Qualität eines Vollstreckungstitels war der Beschluss auch nicht nach § 329 Abs. 3 ZPO zuzustellen.

Dennoch ist der Kostenbeschluss aber den Berufungsklägern, bzw. dem sie vertretenden Prozessbevollmächtigten nicht nur formlos mitgeteilt, sondern darüber hinaus auch förmlich verkündet worden; und zwar (zeitgleich) mit seinem Erlass im Verhandlungstermin vom 31.08.2010. Da es für den Beginn der Zwei-Wochen-Frist des § 321 Abs. 2 ZPO (s.o.) nur auf den Zugang, d.h. auf die Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Beschlussinhalt ankam, ist die Zwei-Wochen-Frist des § 321 Abs. 2 ZPO bereits am 31.08.2010, spätestens aber am 03.09.2010 in Lauf gesetzt worden.

Am 31.08.2010 ist der Beschluss in Anwesenheit des die Berufungskläger vertretenden Prozessbevollmächtigten verkündet worden. Am 03.09.2010 ging dann das Verhandlungsprotokoll vom 31.08.2010 in dessen Kanzlei ein. Dass der Prozessbevollmächtigte das Protokoll – so sein schriftsätzlicher Vortrag vom 07.03.2011 (Bd. III Bl. 583f.) – erst am 07.10.2010 zur Kenntnis genommen haben will, ist angesichts der in seiner Präsenz erfolgten Verkündung ohne jeden Belang.

Selbst wenn der Fristbeginn (großzügig) erst auf den 03.09.2010 datiert wird, war die vom Gesetz vorgesehene zweiwöchige Einlegungsfrist bei Eingang des Ergänzungsantrags (erst) am 13.10.2010 lange (mehr als 3 Wochen) abgelaufen.

Der nach alledem zwar statthafte, aber verfristete und deshalb unzulässige Antrag, den Kostenbeschluss vom 31.08.2010 um den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung zu ergänzen, bleibt also im Ergebnis ohne Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfungsentscheidung war nicht zuzulassen; Gründe hierfür (§ 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO) liegen ersichtlich nicht vor.


II.

Der Festsetzung des Berufungsstreitwerts folgt aus §§ 3 ZPO, 47, 63 GKG.

Für den Zahlungsantrag war die Festsetzung mit dem (für die Jahre 1993 bis 2003) zum Ersatz begehrten Verdienstausfall in Höhe von 46.426,80 € zwangsläufig vorgegeben.

Den Gegenstandswert des Feststellungsantrags hat der Senat auf (rund) die Hälfte des (bezifferten) Leistungsantrags festgesetzt. Dabei hat er sich im Wesentlichen davon leiten lassen, dass die (als behandlungsfehlerbedingt streitigen) Gesundheitsbeschwerden des 2010 verstorbenen S. D. von schwerwiegender Natur waren und (allein) ein Verdienstausfall noch für immerhin sieben Jahre im Raum gestanden hätte. Dass sich der Feststellungsantrag in seiner Zulässigkeit nach dem Tod des S. D. für die das Berufungsverfahren aufnehmenden Eltern als problematisch dargestellt hat, spielt für die Streitwertfestsetzung keine Rolle.

(Müller) (Billig) (Friebertshäuser)
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