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Text des Urteils
6 Ca 1084/09;
Verkündet am: 
 22.02.2010
ArbG Arbeitsgericht
 

Würzburg
Rechtskräftig: unbekannt!
Zur erforderlichen zeitlichen Kongruenz für Anspruchsübergang gem. § 115 SGB X
Leitsatz des Gerichts:
§§ 19 Abs. 2, 33 Abs. 3, 34a, 33 Abs. 5 SGB II, § 115 SGB X

Die erforderliche zeitliche Kongruenz für einen Anspruchsübergang gem. § 115 SGB X ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer die ihm nachträglich am Monatsende oder später im Folgemonat zu entrichtende Vergütung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erhält und ihm deshalb in diesem Folgemonat Leistungen nach dem SGB II gewährt werden.
In dem Rechtsstreit
A… Landkreis A…
vertreten durch den Geschäftsführer - Klägerin -

gegen
Firma A… W…, R…- und D…betrieb GmbH & Co. KG
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte B…, H…, P… & Partner
Herrn S… C…
- Streithelfer zu 1) -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwalt J… B...
Rechtsanwalt J… B…
- Streithelfer zu 2) -

hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2010 durch den Richter am Arbeitsgericht Dubon und die ehrenamtlichen Richter Lindner und Eichler für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.021,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Streithelfer jeweils selbst.

3. Der Streitwert wird auf 1.021,06 € festgesetzt.

4. Soweit die Berufung nicht schon von Gesetzes wegen statthaft ist, wird sie gesondert zugelassen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruchsübergang von Vergütungsansprüchen des Streithelfers zu 1) für den Monat Oktober 2008 gegen die Beklagte.

Der Streithelfer zu 1) war bei der Beklagten beginnend ab 18.08.2008 beschäftigt. Anlässlich einer vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - geführten Bestandsstreitigkeit (Az: 5 Ca 1590/08), in welcher der Kläger darüber hinaus auch ausstehende Vergütungsansprüche bis einschließlich 31.10.2008 in Höhe von 3.151,98 € brutto geltend gemacht hat, unterbreitete das Gericht den Parteien nachfolgenden Vergleichsvorschlag:

„1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung in der Probezeit vom 17.11.2008 mit Ablauf des 19.11.2008 in tariflicher Kündigungsfrist.

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger als Arbeitslohn noch insgesamt Euro 2.701,68 brutto.

(....) Erläuterung:

Der noch zu zahlende Betrag beruht auf dem bis einschließlich 23.10.2008 zu zahlenden Arbeitslohn: 24 Arbeitstage mal 112,57 brutto.“


Nach Annahme dieses Vergleichsvorschlages wurde dessen Zustandekommen mit Beschluss vom 27.01.2009 festgestellt.

Nachdem der Streithelfer zu 1) für den Zeitraum 24.09.2008 bis 23.10.2008 arbeitsunfähig krankgeschrieben war, erbrachte er ab 24.10.2008 unentschuldigt keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte.

Dem Streithelfer zu 1) wurde von der Klägerin ab 21.10.2008 Arbeitslosengeld II bewilligt. Im Zeitraum 21.10.2008 bis 30.11.2008 insoweit insgesamt Leistungen in Höhe von 1.060,07 € für die aus dem Kläger und seiner Ehefrau bestehende Bedarfsgemeinschaft gewährt, wobei auf den Zeitraum November 2008 ein Betrag in Höhe von 1.021,06 € entfiel. Als Kosten für Unterkunft und Heizung wurde hierbei ein monatlicher Betrag in Höhe von 389,06 € berücksichtigt.

Die Leistungsgewährung wurde durch die Klägerin gegenüber der Beklagten bereits vor Vergleichsabschluss mit Schreiben vom 18.11.2008 angezeigt. Das Schreiben (vgl. Bl. 15 f. d.A.) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

die/der o.G. bezieht seit dem 01.11.2008 Leistungen nach dem SGB II. Den Antragsunterlagen entnehme ich, dass die/der Arbeitssuchende aus dem Arbeitsverhältnis mit Ihnen noch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt, Urlaubsabgeltung, Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistungen i.S. des § 115 SGB X wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend macht bzw. machen will.

Die A… Landkreis A… hat auch dann Leistungen zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer Ansprüche, die er geltend macht tatsächlich noch nicht erhält. Der/Dem Arbeitssuchenden gewähre ich daher Leistungen ohne Berücksichtigung etwaiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Die Zahlungen von Leistungen nach dem SGB II bewirkt, dass evtl. Ansprüche des Arbeitslosen gegen Sie bis zur Höhe der von mir gezahlten Leistungen gem. § 33 Abs. 5 SGB II i.V.m. § 115 SGB X auf mich übergehen. Sie sind insoweit verpflichtet, Zahlungen nicht an den Arbeitssuchenden, sondern an die A… Landkreis A… zu leisten.

(...)

Damit Sie nicht doppelt zahlen müssen, bitte ich Sie deshalb:

Sollte ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis anerkannt oder festgestellt werden, bitte ich sie, mir umgehend Art, Höhe und Zahlungszeitraum mitzuteilen. Ich werde dann prüfen, ob und in welcher Höhe ein Ruhen des Leistungsanspruches eingetreten ist und Ihnen umgehend die Höhe der auf mich übergegangenen Ansprüche beziffern.

(...).“


Nachdem durch den Streithelfer zu 2), dem damaligen und heutigen Prozessbevollmächtigten des Streithelfers zu 1), der Beklagten eine Frist zur Erfüllung der Verpflichtung aus dem Vergleich bis zum 20.02.2009 gesetzt und durch Schreiben vom 18.02.2009 für den Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung Weiterungen angekündigt wurden, zahlte die Beklagte schließlich auf die Verbindlichkeit direkt an den Streithelfer zu 1).

Laut der erteilten Abrechnungen für den Monat September 2008 erfolgte eine Zahlung für sieben Tage in Höhe von 787,99 € brutto, sowie für Oktober 2008 (anteilig bis 23.10.2008) für siebzehn Tage in Höhe von 1.913,69 € brutto. Die Zahlung für Oktober 2008 ergab einen Nettoauszahlungsbetrag an den Streithelfer zu 1) in Höhe von 1.487,75 €. Der Beitragssatz zur Krankenversicherung des Streithelfers zu 1) betrug 14,5 %, die Abrechnung erfolgte auf Basis der Lohnsteuerklasse III.

Der Arbeitsvertrag zwischen der Beklagten und dem Streithelfer zu 1) sah keine Fälligkeitsregelung für die Vergütung vor. Die Zahlungen erfolgten spätestens zum 14. /15. des Folgemonats. Es war eine Arbeitszeit von 40 Stunden im Rahmen einer 5-Tagewoche vereinbart. Die Vergütung erfolgte auf Basis von 11,50 € brutto pro Stunde, einschließlich einer Leistungszulage.

Mit Schreiben vom 12.03.2009 bezifferte die Klägerin den Anspruchsübergang zunächst mit 1.060,07 € und machte diesen Betrag gegenüber der Beklagten geltend. Mit Schreiben vom 08.05.2009 korrigierte die Klägerin den übergegangenen Betrag und forderte die Beklagte nur noch zur Zahlung von 1.021,06 € auf.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass dem Anspruchsübergang weder die Formulierung in der Überleitungsanzeige, noch die Tatsache entgegenstehe, dass die Leistung an eine Bedarfsgemeinschaft erfolgt sei.

Die Klägerin hat daher beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.021,06 € aus übergegangenen Arbeitsentgeltansprüchen des Arbeitnehmers S… C… nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass mangels zeitlicher Kongruenz ein Anspruchsübergang nicht eingetreten sei, eine Entgeltverpflichtung nur bis zum 23.10.2008 bestanden hätte. Darüber hinaus sei die Überleitungsanzeige fehlerhaft. Insbesondere durch die Formulierung, dass eine Leistungsgewährung ab 01.11.2008 erfolge, sei nicht erkennbar, dass dies auch eine Überleitung der Ansprüche für den Zeitraum Oktober 2008 bedeute.

Die Streithelfer wenden darüber hinaus ein, dass der Streithelfer zu 1) in einer Bedarfsgemeinschaft lebe und daher nur derjenige Betrag dem Grunde nach von einem Anspruchsübergang betroffen sein kann, welcher anteilig auf diesen entfällt. Weiterhin wäre der Entgeltanspruch für Oktober 2008 zu dessen Ende fällig gewesen und hätte daher höchstens eine Bedürftigkeit im Oktober 2008 entfallen lassen. Außerdem sei vorliegend § 33 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, sowie auf die Protokolle über die mündliche Verhandlung vom 11.11.2009 und 01.02.2010 verwiesen.

Die Beklagte hat gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitnehmer S… C… mit Schriftsatz vom 26.06.2009 und dessen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 03.09.2009 den Streit jeweils mit der Aufforderung verkündet, auf ihrer Seite dem Rechtsstreit beizutreten. Diese sind am 11.11.2009 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch in Höhe von 1.021,06 € aus übergeleitetem Recht gegen die Beklagte zu, §§ 33 Abs. 5, 34a, 44b SGB II i.V.m. § 115 Abs. 1 SGB X.


I.

Die Klage ist zulässig.


1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet, da die Klägerin als Rechtsnachfolgerin Vergütungsansprüche aus einem Arbeitsverhältnis geltend macht, §§ 2 Abs. 1 Nr. 3a); 3 ArbGG.

2. Das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - ist für den Rechtsstreit örtlich zuständig, da die Beklagte ihren satzungsmäßigen Sitz in Aschaffenburg hat, § 17 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

3. Der Zinsantrag bedarf allerdings insoweit der Auslegung, als dass es heißen muss „5-Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“, vgl. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Antrag ist diesbezüglich auslegungsbedürftig und auch auslegungsfähig (vgl. hierzu ausführlich Weidlich, in DNotZ 2004, 840 ff., welcher zutreffend darauf hinweist, dass bei der von der Klägerin gewählten Formulierung zumindest nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht der Rückschluss gezogen werden kann, dass es sich bei der Bezugsgröße des Prozentsatzes um den Basiszinssatz handelt. Es ist vielmehr die Geldforderung selbst).


II.

Die Klage ist auch begründet.

Der Entgeltanspruch des Streithelfers zu 1) für Oktober 2008 gegen die Beklagten ist auf Grund der Erbringung von Leistungen für erwerbsfähige Hilfssuchende gem. § 19 SGB II für Monat November 2008 in Höhe 1.021,06 € auf die Klägerin übergegangen, § 115 Abs. 1 SGB X.

1. Die Beklagte hat unberechtigt die Vergütungsansprüche des Streithelfers zu 1) für den Monat Oktober 2008 nicht erfüllt.

a) Dem Streithelfer zu 1) stand gegenüber der Beklagten für Oktober 2008 auf Grund der Arbeitsunfähigkeit ein Vergütungsanspruch zu, welcher zum 01.11.2008 fällig war, § 2 Abs. 1 bzw. §§ 3 Abs. 1 Satz 1; 4 Abs.1 EFZG i.V.m. § 614 S. 2 BGB.

Ob durch den Vergleich ggfs. ein höherer Vergütungsanspruch des Streithelfers zu 1) begründet wurde, als tatsächlich schon zum Zeitpunkt der Arbeitslosengeld II Zahlung, bzw. vor Abschluss des Vergleichs bestanden hat, bedarf keiner weiteren Prüfung. Zweifel darüber sollten gerade durch den Vergleich beseitigt werden (§ 779 BGB), der sich insoweit auch zugunsten der Beklagten auswirkt (vgl. BSG, Urt. v. 22.10.1998, Az: B 7 AL 106/97 R, juris; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht / Kater, 63. Ergänzungslieferung, Stand 2009, Rn. 56 zu § 115 SGB X).

aa) Zwar ist aus dem Vergleich selbst eine zeitliche Zuordnung der Entgeltansprüche auf die Vergütungszeiträume September und Oktober 2008 nicht erkennbar.

Die Beklagte hat jedoch - wie sich aus den Korrekturabrechnungen ergibt - diesbezüglich eine Tilgungsbestimmung gem. § 366 Abs. 1 BGB getroffen, nach welcher sie eine Leistung im Umfang von sieben Tagen für den Monat September und im Umfang von 17 Tagen für den Monat Oktober 2008 vorgenommen hat. Hieraus folgt für den vorliegend maßgeblichen Monat Oktober 2008 ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.913,69 € brutto.

bb) Die Parteien hatten arbeitsvertraglich keine eigenständige Fälligkeitsvereinbarung getroffen (vgl. zur Frage der Leistung durch den Sozialhilfeträger vor Fälligkeit: Pickel/Marschner, SGB X, Stand Juni 2008, Rn. 14 zu § 115 SGB X).

Die Beklagte wäre daher gem. § 614 S. 2 BGB verpflichtet gewesen, die Vergütungsansprüche für den Monat Oktober 2008 nach dessen Ablauf und damit am 01.11.2008 an den Streithelfer zu 1) zu leisten (vgl. nur Münchener Kommentar zum BGB / Müller-Glöge, 5. Aufl., 2009, Rn. 11 zu § 614 BGB). Dieser Verpflichtung ist die Beklagte trotz Fälligkeit nicht nachgekommen.

b) Weiterhin ist für den Anspruchsübergang gem. § 115 Abs. 1 SGB X eine zeitliche Kongruenz zwischen dem nichterfüllten Arbeitsentgeltanspruch und der erbrachten Sozialleistung erforderlich, so dass letztere wirklich an die Stelle des Arbeitsentgelts getreten ist (vgl. BAG, Urt. v. 26.05.1993, Az: 5 AZR 405/92, juris; Plagemann, NJW 1983, 423 (426)).

Für den Fall der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt gem. §§ 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII wird zutreffend angenommen, dass eine zeitliche Kongruenz gegeben ist, wenn ein Arbeitnehmer die ihm am Monatsende nachträglich zu zahlende Vergütung nicht erhalten hat und ihm deshalb im Folgemonat Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet wurde (vgl. BAG, a.a.O.; Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht / Kater, 63. Ergänzungslieferung, Stand 2009, Rn. 31 zu § 115 SGB X; von Wulfen / Bieresborn, SGB X, 6. Aufl., 2009, Rn. 4 zu § 115 SGB X).

Dies gilt nach Ansicht des Gerichts auch für den Fall der Gewährung von Arbeitslosengeld II gem. § 19 SGB II (vgl. zur Einordnung der Leistungen des SGB II als Spezialfall der Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfsbedürftige ausführlich OLG Köln, Urt. v. 27.01.2009, Az: 3 U 124/08, juris; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.11.2008, Az: XII ZR 129/06, juris). Beiden Leistungsarten ist im Grundsatz gemein, dass sie an Personen geleistet werden, welche ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können, vgl. § 19 Abs. 1 S. 1 SGB XII, bzw. §§ 7 Abs. 1 Nr. 3; 9 Abs. 1 SGB II. Beide Leistungen werden bei Vorliegen der Hilfebedürftigkeit im Monat im Voraus erbracht, § 41 Abs.1 S.4 SGB II bzw. § 44 Abs. 1 S. 4 SGB XII. Beide Sozialleistungen sind grundsätzlich einkommensunabhängig und weisen daher keinen Entgeltersatzcharakter auf, sondern stellen pauschalierte Fürsorgeleistungen zur Bedarfsdeckung dar (vgl. auch Hauck/Noftz/ Voelzke, SGB II, Einführung Rn. 129 f.). Einzig der befristete Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld gem. § 24 SGB II stellt insoweit eine Ausnahme dar, wobei diese Lohnorientierung nur schwach ausgeprägt und daher nicht geeignet ist, den Charakter des Arbeitslosengeld II als eine Sozialhilfeleistung in Frage zu stellen (vgl. OLG Köln, a.a.O.).

Die Voraussetzung der zeitlichen Kongruenz ist somit vorliegend erfüllt. Die unberechtigterweise nicht erfolgte Vergütungszahlung hat damit zu der berechtigterweise erfolgten Leistungsgewährung durch die Klägerin geführt.

c) Hätte die Beklagte ihre Vergütungsverpflichtung gegenüber dem Streithelfer zu 1) fristgemäß erfüllt, wären durch die Klägerin keine Leistungen gem. § 19 SGB II zu erbringen gewesen.

Der entsprechende Entgeltanspruch ist daher in Höhe von 1.021,06 € auf die Klägerin übergegangen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gem. § 11 Abs. 1 SGB II eine Anrechnung von Entgelt auf die Sozialleistung vorgesehen ist. Somit geht der Entgeltanspruch grundsätzlich in Höhe des anzurechnenden Einkommens über (vgl. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht / Kater, 63. Ergänzungslieferung, Stand 2009, Rn. 31c f. zu § 115 SGB X).

Das anzurechnende Einkommen errechnet sich wie folgt: Ausgehend von einem Bruttobetrag in Höhe von 1.913,69 € für Oktober 2008 ist gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zunächst im Rahmen des Steuerabzugs unter Anwendung der Monatslohnsteuertabellen 2008 bei der Steuerklasse III ein Betrag in Höhe von 27,16 €, sowie ein Betrag in Höhe von 2,17 € bei einem Kirchensteuersatzes von 8 % zu berücksichtigen. Weiterhin sind gem. § 11 Abs. 2 Nr. 2 SGB II die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuziehen. Dies ergibt bei denen im Jahr 2008 aktuellen Beitragssätzen von 14,5 % zur Krankenversicherung des Klägers 155,96 €, von 19,9 % zur Rentenversicherung 190,41 €, von 3,3 % zur Arbeitslosenversicherung 31,58 € und von 1,95 % zur Pflegeversicherung 18,66 €. Insgesamt folgt hieraus ein Nettobetrag in Höhe von 1.487,75 €, welcher dem Streithelfer zu 1) am 01.11.2008 bei einer fristgemäßen Erfüllung zugeflossen wäre.

Gem. § 11 SGB II hätte dies nach Abzug der - mangels anderweitiger Ansatzpunkte heranzuziehenden - Pauschalen gem. §§ 11 Abs. 2 S. 2, 30 SGB II in Höhe von 280,00 € ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 1.207,75 € ergeben.

Da der Bedarf für die Bedarfsgemeinschaft des Streithelfers zu 1) und dessen Ehefrau für November 2008 jedoch insgesamt nur 1.021,06 € betragen hat, ist damit auf Grund der unberechtigten Nichterfüllung des Vergütungsanspruchs für Oktober 2008 der Vergütungsanspruch in Höhe der gesamten erbrachten Sozialleistung gem. § 115 Abs. 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen.

d) Dem steht nicht entgegen, dass die Leistung an eine Bedarfsgemeinschaft erfolgt ist.

Zwar erfordert ein Anspruchsübergang gem. § 115 Abs. 1 SGB X grundsätzlich, dass eine Personenidentität zwischen Leistungsbezieher und Arbeitnehmer bestehen muss. Allerdings wurde durch den Gesetzgeber für den Fall der Gewährung von Arbeitslosengeld II durch die Einführung von § 34a SGB II eine ausdrückliche Durchbrechung dieses Grundsatzes vorgesehen (vgl. Hauck/ Noftz / Fügemann, SGB II, Rn. 4. ff zu § 34a SGB II). Bei § 115 Abs. 1 SGB X handelt es sich um eine Vorschrift, welche gem. § 33 Abs. 5 SGB II der Regelung des § 33 SGB II vorgeht. Damit gelten vorliegend als Aufwendungen der Klägerin auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die an den nicht getrennt lebenden Ehegatten des Streithelfers zu 1) erbracht wurden.

e) § 33 Abs. 3 SGB II steht der Überleitung schon deshalb nicht entgegen, da dem Streithelfer zu 1) - wie bereits dargelegt - nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein fälliger Anspruch zum Zeitpunkt der Überleitung zugestanden hat.

f) Dem Anspruch stehen auch nicht die Formulierungen der Überleitungsanzeige vom 18.11.2008 entgegen.

Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass sie auf Grund der dort enthaltenen Ausführungen nicht davon ausgehen konnte, dass trotz der mitgeteilten Leistungsgewährung ab 01.11.2008 auch Entgeltansprüche des Streithelfers zu 1) für den Vergütungszeitraum Oktober 2008 erfasst werden würden, folgt dem das Gericht nicht.

Der Anspruchsübergang gem. § 115 Abs. 1 SGB X erfolgt kraft Gesetzes, sobald dessen Voraussetzungen vorliegen. Dies führt gem. § 412 BGB zur entsprechenden Anwendung der Vorschriften der §§ 399 bis 404 und 406 bis 410 BGB (vgl.

Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht / Kater, 63. Ergänzungslieferung, Stand 2009, Rn. 31 zu § 115 SGB X).

Vorliegend muss die Klägerin aber die Leistung an den Streithelfer zu 1) durch die Beklagte nicht gem. §§ 407 Abs. 1, 412 BGB gegen sich gelten lassen, da die Beklagte durch die Überleitungsanzeige ausreichend Kenntnis von dem Anspruchsübergang hatte. Als Kenntnis i.S.v. § 407 Abs.1 BGB genügt die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich der Anspruchsübergang ergibt. Darauf, ob die Beklagte auch wusste, dass damit der Entgeltanspruch auf die Klägerin übergegangen ist, kommt es nicht an (vgl. BAG, Urt. v. 20.08.1980, Az: 5 AZR 218/78, juris).

Aus alledem ergibt sich, dass der Klage insoweit vollumfänglich stattzugeben war.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und §§ 74 Abs. 1, 101 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.


IV.

Der Streitwert war gem. § 3 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG mit dem Nennbetrag der eingeklagten Forderung festzusetzen.


V.

Die Berufung war auf Grund der gegebenen grundsätzlichen Bedeutung gesondert zuzulassen, § 64 Abs. 3 ArbGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Berufung einlegen.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Landesarbeitsgericht Nürnberg Roonstraße 20 90429 Nürnberg eingelegt werden.

Die Berufung muss innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich begründet werden.

Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift müssen jeweils von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Sie können auch von dem Bevollmächtigten einer Gewerkschaft, eines Arbeitgeberverbandes oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet werden, wenn sie für ein Mitglied eines solchen Verbandes oder Zusammenschlusses oder für den Verband oder den Zusammenschluss selbst eingelegt wird.

Mitglieder der genannten Verbände können sich auch durch den Bevollmächtigten eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.

Dubon Richter am Arbeitsgericht
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