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Text des Beschlusses
1 Ws 14/11;
Verkündet am: 
 04.03.2011
OLG Oberlandesgericht
 

Jena
Vorinstanzen:
StVK 296/10
Landgericht
Erfurt;
Rechtskräftig: unbekannt!
Zum Akteneinsichtsrecht und Auskunftsanspruch des Strafgefangenen wegen der Begründung der negativen Lockerungsentscheidung
Leitsatz des Gerichts:
ThürUVollzG § 95; Thüringer Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und der Videoüberwachung bei Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung § 1

Zum Akteneinsichtsrecht und Auskunftsanspruch des Strafgefangenen wegen der Begründung der negativen Lockerungsentscheidung:

alternativ:

In Thüringen ist die rechtliche Grundlage für das Begehren des Strafgefangenen § 95 ThürUVollzG i.V.m. § 1 Thüringer Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und der Videoüberwachung bei Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung.

Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ThürUVollzG erteilt die Vollzugsanstalt dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Bei der Begründung der den Antragsteller betreffenden Lockerungsentscheidung handelt es sich um derartige Daten.

Gem. § 95 Abs. 2 Satz 2 ThürUVollzG bestimmt die Anstalt oder die Aufsichtsbehörde das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen.

Da der genaue Wortlaut der Begründung der Ablehnung von Vollzugslockerungen für die Rechtsverfolgung des Betroffenen wichtig ist, genügt eine mündliche Mitteilung der Begründung nicht. Nach pflichtgemäßem Ermessen ist die Auskunft vielmehr zusätzlich durch Überlassung einer dem Original entsprechenden Fotokopie zu erteilen.

Kosten dürfen dafür nicht erhoben werden, weil gem. § 95 Abs. 3 ThürUVollzG die Auskunft unentgeltlich ist.

Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht hingegen grundsätzlich nicht.
In der Strafvollzugssache
des D H,
in Strafhaft in der JVA T,
Antragsteller -
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt P

gegen
den Leiter der Justizvollzugsanstalt T
- Antragsgegner und Rechtsbeschwerdeführer –
Beteiligter im Rechtsbeschwerdeverfahren:
wegen Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 109 ff. StVollzG

hier: Akteneinsicht und Auskunft

hat auf den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren und auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt vom 11.11.2010 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch Richter am Oberlandesgericht Schulze und am 04. März 2011 beschlossen:

1. Dem Antragsteller wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P, Jena, gewährt.

2. Der Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 11.11.2010 wird dahin abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, dem Antragsteller unentgeltlich Auskunft über die Begründung der Lockerungsentscheidung vom 08.06.2010 durch Überlassung einer Fotokopie der Begründung zu erteilen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die den Beteiligten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Der Gebührenstreitwert für das Verfahren erster und zweiter Instanz wird auf bis 3000 EUR festgesetzt.



Gründe:


I.

Am 04.05.2010 stellte der Antragsteller Antrag auf Lockerung des Vollzugs.

Am 08.06.2010 wurden ihm nach vorausgegangener Lockerungskonferenz die seinen Antrag ablehnende Entscheidung und die hierfür im Wesentlichen maßgeblichen Gründe mündlich eröffnet. Dabei hatte er die Möglichkeit, sich Notizen zu machen, nahm diese jedoch nicht wahr.

Im Anschluss an die mündliche Eröffnung erkundigte sich der Antragsteller, ob und inwieweit er bezüglich der ablehnenden Entscheidung der Lockerungskonferenz einen schriftlichen Bescheid erhalten könne. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass ein Rechtsanspruch auf die Erteilung eines schriftlichen Bescheides nicht bestehe.

Noch am selben Tag stellte der Antragsteller schriftlich Antrag auf Akteneinsicht wie folgt:

„Antrag auf Akteneinsicht gemäß § 185 StVollzG in die Stellungnahme der JVA T vom 8.6.2010 zum Lockerungsantrag H wg. Einlegung von Rechtsmitteln (zur Erlangung umfassenden Rechtsschutzes).“

Mit Vermerk des zuständigen Vollzugsabteilungsleiters vom 08.06.2010 wurde der Antrag abgelehnt und darauf verwiesen, dass eine Einsichtnahme nicht erforderlich sei. Eine Auskunft reiche aus, um die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zu gewährleisten. Der Vermerk wurde dem Antragsteller am 11.06.2010 eröffnet.

Mit am 07.07.2010 beim Landgericht Erfurt eingegangenem Schreiben hat der Antragsteller gerichtliche Entscheidung beantragt.

Der Antragsteller hat vorgetragen, mit seinem Antrag vom 08.06.2010 habe er Akteneinsicht in den ablehnenden Bescheid der der JVA T vom 8.6.2010 begehrt, um zu seinem Lockerungsantrag Rechtsmittel einlegen zu können. Dies sei aber nur möglich, wenn er den genauen Wortlaut der Ablehnung des Lockerungsantrages kenne. Dies sei dem den Bescheid eröffnenden Beamten schon während der Eröffnung des Bescheides zur Lockerung mitgeteilt worden. Er habe ihn dann auf den schriftlichen Antragsweg verwiesen.

Die ablehnende Lockerungsentscheidung sei, so der Antragsteller, durch den für die Vollzugsabteilung zuständigen Psychologen erarbeitet worden. Diese sei offensichtlich sehr umfangreich.

Der Antragsteller hat in erster Instanz beantragt,

die am 11.06.2010 gegen ihn verfügte Ablehnung der Akteneinsicht in die Stellungnahme der JVA T zur Ablehnung seines Antrags auf Lockerung des Vollzugs aufzuheben

und

den Antragsgegner zu verpflichten, ihm – dem Antragssteller – Einsicht in die Begründung der Ablehnung der Justizvollzugsanstalt T zu gewähren und ihm eine schriftliche Kopie der Begründung der Ablehnung auszuhändigen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 11.11.2010 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt dem Antrag stattgegeben und den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller Akteneinsicht in die Begründung der JVA T zur Ablehnung seines Antrages auf Lockerung des Vollzugs vom 04.05.2010 zu gewähren und ihm gegen Ersatz der Auslagen eine Kopie der Begründung der Ablehnung zur Verfügung zu stellen.

Gegen diesen ihm am 16.11.2010 zugestellten Beschluss hat der Leiter der JVA T am 15.12.2010 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit den näher ausgeführten Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

In formeller Hinsicht beanstandet er, dass das Landgericht das erstinstanzliche Vorbringen des Antragsgegners in dem angefochtenen Beschluss nicht vollständig wiedergegeben und sich mit diesem auch nicht auseinandergesetzt habe. Ferner sei die tenorierte Verpflichtung nicht hinreichend bestimmt.

Das im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligte Thüringer Justizministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Entscheidung des Landgerichts Erfurt vom 11.11.2010 aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt der Sache nach,

die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.


II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, denn es ist geboten, den angefochtenen Beschluss zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Sie ist auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde teilweise Erfolg.

Die Verfahrensrügen des Antragsgegners dringen nicht durch.

Die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs ist bereits nicht zulässig erhoben, denn der Antragsgegner legt nicht dar, welchen Inhalts sein Vorbringen in der ersten Instanz gewesen sei, das das Landgericht angeblich nicht berücksichtigt habe, und dass dieses Vorbringen entscheidungserheblich gewesen sei.

Auch die Rüge der Unbestimmtheit der tenorierten Verpflichtung ist erfolglos. Dem Tenor lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner Einsicht in die schriftliche Begründung der Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Vollzugslockerungen vom 04.05.2010 zu gewähren hat und dem Antragsteller gegen Kostenersatz eine Fotokopie dieser Begründung zur Verfügung zu stellen hat.

Die Sachrüge führt zur teilweisen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Da die Sache spruchreif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG).

Der Antragsgegner ist im konkreten Fall nicht zur Gewährung von Einsicht in die Gefangenenpersonalakte verpflichtet, sondern er hat dem Antragsteller unentgeltlich eine Fotokopie der Begründung der ablehnenden Lockerungsentscheidung vom 08.06.2010 auszuhändigen.

Das Landgericht hat die rechtliche Grundlage für das Begehren des Antragstellers zu Recht in § 95 ThürUVollzG i.V.m. § 1 Thüringer Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und der Videoüberwachung bei Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung gesehen.

Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ThürUVollzG erteilt die Vollzugsanstalt dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Bei der Begründung der den Antragsteller betreffenden Lockerungsentscheidung handelt es sich um derartige Daten (vgl. § 3 Abs. 1 BDSG).

Gem. § 95 Abs. 2 Satz 2 ThürUVollzG bestimmt die Anstalt oder die Aufsichtsbehörde das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen. Da der genaue Wortlaut der Begründung der Ablehnung von Vollzugslockerungen für die Rechtsverfolgung des Betroffenen wichtig ist, genügt eine mündliche Mitteilung der Begründung nicht. Nach pflichtgemäßem Ermessen ist die Auskunft vielmehr zusätzlich durch Überlassung einer dem Original entsprechenden Fotokopie zu erteilen.

Kosten dürfen dafür nicht erhoben werden, weil gem. § 95 Abs. 3 ThürUVollzG die Auskunft unentgeltlich ist.

Ein Ausschlussgrund, der die Vollzugsanstalt zur Verweigerung berechtigt (§ 95 Abs. 5 ThürUVollzG) wird von dem Antragsgegner nicht geltend gemacht, und es ist auch kein Ausschlussgrund ersichtlich.

Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht hingegen nicht. Ein solcher Anspruch ist gem. § 95 Abs. 8 ThürUVollzG nur gegeben, soweit die Auskunft für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Gefangenen nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist. Der Inhalt und die Art der zu erteilenden Auskunft durch Überlassung einer Fotokopie der Begründung der Lockerungsentscheidung genügen dem Interesse des Antragstellers an genauer Kenntnis der maßgeblichen Gründe der negativen Lockerungsentscheidung vollauf, sodass es der Akteneinsicht nicht bedarf.

Schulze Pesta
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