Text des Urteils
1 U 58/10;
Verkündet am:
24.02.2011
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 9 O 171/08 Landgericht Magdeburg; Rechtskräftig: unbekannt! Ob ein Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, beantwortet sich danach, ob der Arzt nach den von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnissen + Erfahrungen im konkreten Fall diagnostisch und therapeutisch vertretbar und sorgfältig zu Werke gegangen ist Leitsatz des Gerichts: 1. Ob ein Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, beantwortet sich danach, ob der Arzt nach den von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen im konkreten Fall diagnostisch und therapeutisch vertretbar und sorgfältig zu Werke gegangen ist. Abzustellen ist dabei auf den Standard im Zeitpunkt der Behandlung. 2. Ist ein niedergelassener Facharzt für Orthopädie zugleich Heilbehandlungsarzt (H-Arzt) eines gesetzlichen Unfallversicherungsträgers, wird aber nicht in dieser Eigenschaft tätig, ist nur der für ihn allgemein geltende Facharztstandard maßgeblich und nicht ein u. U. höherer Standard eines H-Arztes. In dem Rechtsstreit … hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 03.02.2011 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, den Richter am Ober¬landesgericht Grimm und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann für Recht erkannt: Die Berufung der Klägerin gegen das am 9.6.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (9 O 171/08) wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. und beschlossen: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 65.000,-- Euro festgesetzt. Die Klägerin – eine Ärztin für Allgemeinmedizin – litt (dazu SV S. 2 – Bl. 155 I -) seit Dezember 2004 an Schmerzen im Sprunggelenk des linken Fußes (dazu auch die Stellungnahme der Beklagten im Senatstermin vom 3.2.2011 - Bl. 9 III -). Am 7.2.2005 verspürte die Klägerin beim Treppensteigen einen Schmerz im linken Mittelfuß und stellte sich am gleichen Tag bei der Beklagten (einer Fachärztin für Orthopädie, die auch als sog. H-Ärztin [= Heilbehandlungsarzt] tätig ist) vor. Als Befund wird in der Patientendokumentation beschrieben: Schwellung an der Außenseite des Sprunggelenks und vom Tastbefund her ein Druckschmerz über dem 5. Mittelfußstrahl des linken Fußes. Der schmerzhafte Tastbefund zog sich bis in den äußeren Knöchel. Es wurde ein Röntgenaufnahme des linken Fußes in der ap-Ebene erstellt (bei der alle 5 Mittelfußknochen abgebildet waren). Eine weitere Aufnahme in einer zweiten Ebene unterblieb, wobei die Gründe dafür streitig sind. Die Beklagte diagnostizierte eine Arthritis des linken Sprunggelenks mit entzündlicher Reaktion und ordnete Kühlen an. Da sich der Schmerzzustand nicht besserte, stellte sich die Klägerin am 21.2.2005 erneut bei der Beklagten vor. An diesem Tag wurde das Sprung¬gelenk in zwei Ebenen geröntgt. Nach Ansicht der Aufnahmen gelangte die Beklagte zu keiner neuen Diagnose, sondern verblieb bei ihrer Ansicht, dass es sich um Gicht und Arthrose handeln würde. Von der Beklagten wurde die Harnsäure bestimmt. Weitere Therapiemaßnahmen erfolgten nicht. In der Zeit vom 25.2. bis 11.3.2005 befand sich die Klägerin im Urlaub, während dessen sich die Beschwerden nicht besserten. Am 11.3.2005 erwirkte die Beklagte bei der Klägerin eine Überweisung zu einer MRT-Untersuchung. Diese Untersuchung und ein CT wurden am 14.3.2005 erstellt. Diagnostiziert wurde eine Mehrfachfraktur des linken Fersenbeins. Am 15.3.2005 erfolgte eine Weiterbehandlung durch einen Facharzt für Chirurgie. Im Verlauf einer weiteren Röntgenuntersuchung stellt dieser eine ausgedehnte Resorption (Auflösung) des Fersenbeins im Bereich des unteren Sprunggelenks mit Instabilität im unteren Sprunggelenk mit einer Fußfehlstellung fest. Nach Behauptung der Klägerin bestand am 15.3.2005 nur noch die Möglichkeit einer Einsteifung des linken unteren Sprungsgelenks, im übrigen sei der eingetretene Schaden irreparabel. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass auf der am 21.2.2005 erstell¬ten Seitenaufnahme die Frakturlinie des Fersenbeinbruchs links zu erkennen ist. Streitig ist inso¬weit, ob die Beklagte die Frakturlinie auf der Aufnahme hätte erkennen müssen. Bei der Klägerin bestand eine Vorschädigung des Fersenbeins (Resorption). Weiter wurde bei der – im Zeitpunkt Februar 2005 62-jährigen Klägerin – ein Diabetes mellitus (mit Ausbildung einer Polyneuropathie [= Nervenschädigung im Bereich der Extremitäten], sowie durch diesen Diabetes bedingt, eine Erkrankung des Gelenk- und Knochenapparates festgestellt, mit der Folge einer bestehenden Störung in der Mineralisation des Fußwurzelknochens. Die Klägerin ist der Ansicht, dass bereits am 7.2.2005 weitergehende Untersuchungen erforderlich gewesen wären, es hätte bereits zu diesem Zeitpunkt eine Verletzung des Sprunggelenks in Erwägung gezogen werden müssen. Jedenfalls sei der Beklagten aber vorzuwerfen, dass sie auf der Röntgenaufnahme vom 21.2.2005 den Fersenbeinbruch nicht erkannt habe. Wäre der Fersenbeinbruch zu diesem Zeitpunkt diagnostiziert worden, wäre eine operative Versorgung möglich und Erfolg versprechend gewesen. Jedenfalls habe eine größere Chance auf einen günstigeren Verlauf einer konservativen Behandlung bestanden. Sie hätte zu einem operativen Eingriff ihre Einwilligung erteilt. Die Klägerin verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld, sie macht weiter einen Erwerbsausfallschaden sowie einen Haushaltsführungsschaden geltend und stellt einen Feststellungsantrag hinsichtlich möglicher künftig eintretender Schäden. Die Beklagte ist der Klageforderung entgegengetreten. Das Landgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt (Dr. B. vom 15.5.2009 – Bl. 154 ff. I -), das der Sachverständige schriftlich ergänzt (16.2.2010 – Bl. 56 ff. II) und im Termin vom 19.5.2010 (Bl. 93 ff. II) mündlich erläutert hat. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt. Am 7.2.2005 habe kein Anlass zu weitergehenden Untersuchungen bestanden. Eine zweite Aufnahme des Mittelfußes hätte nichts zur Diagnose eines Fersenbeinbruchs beitragen können. Für die Diagnose eines Fersenbeinbruchs hätten keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgelegen. Die Klägerin habe nicht über ein traumatisches Ereignis berichtet. Die Entstehung eines Fersenbeinbruchs allein durch das Hinaufgehen einer Treppe sei außerordentlich unwahrscheinlich. Zwar hätte die Beklagte auf der Grundlage der am 21.5.2005 gefertigten Röntgenbilder die Frakturbildung erkennen müssen, sodass von einem Fehler auszugehen sei. Jedoch sei diese Pflichtverletzung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für den weiteren Behandlungsverlauf bzw. die bei der Klägerin eingetretenen Einschränkungen nicht ursächlich geworden. Nach den Feststellungen des Sachverständigen habe bei der Klägerin eine erhebliche Vorschädigung der Knochenstruktur vorgelegen (nach dem am 14.3.2005 erstellten CT: Zysten im Fersen- und Würfelbein; erhebliche Minderung der Knochensubstanz). Darüber hinaus sei der Diabetes mellitus zu berücksichtigten. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass eine operative Versorgung des Bruches wegen der fortgeschrittenen Resorption nicht mehr möglich gewesen wäre. Eine Operation wäre (auch unter Berücksichtigung des Alters der Klägerin) mit erheblichen Risiken verbunden gewesen. Es sei mit einem erhöhten Risiko einer Wundheilungsstörung bis zur Bildung einer Nekrose zu rechnen gewesen. In der Situation der Klägerin wäre ohnehin eher eine konservative Behandlung (Ruhigstellung, Kühlung, Schmerzstillung) in Betracht gekommen. Im weiteren Verlauf entwickele sich dann ein sog. posttraumatischer Plattfuß, der durch orthopädisches Schuhwerk soweit versorgt werden könne, dass bei auf diese Art behandelten Patienten nach ungefähr zwei Jahren z.T. mit besseren Ergebnissen zu rechnen sei, als bei operativ versorgten Patienten. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie rügt insbesondere, dass das Landgericht nicht in Erwägung gezogen habe, dass auf Seiten der Beklagten von einem groben Behandlungsfehler auszugehen sei. Darüber hinaus habe das Landgericht der Frage nachgehen müssen, ob bei Beginn der Behandlung bereits im Februar eine bessere Heilungschance bestanden hätte. D.h., ob sich die Behandlungsverzögerung vom 7.2.2005 bis 14.3.2005 negativ auf den Heilungsverlauf ausgewirkt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 16.8.2010 (Bl. 137 ff. II): Die Klägerin beantragt, das am 9.6.2010 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (9 O 171 /08) abzuändern und 1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens aber ein solches in Höhe von 20.000,-- Euro, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. 2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30.243,50 Euro zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. 3. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.880,20 Euro zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. 4. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung des Mittelfußes in der Zeit vom 7.2.2005 bis zum 15.3.2005 resultierenden weitere materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 16.11.2010 (Bl. 183 ff. II). Der Senat hat mit Beschluss vom 11.10.2010 (Bl. 150 ff. II) den Parteien einen schriftlichen rechtlichen Hinweis erteilt und eine ergänzende Begutachtung angeordnet. Der Sachverständige Dr. B. hat zunächst eine schriftliche Stellungnahme abgegeben (Bl. 201 ff. II) und diese sodann im Termin vom 3.2.2010 mündlich erläutert. Insoweit wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift von diesem Tage (Bl. 8/9 III). Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg: 1. Nichterkennen des Fersenbeinbruchs am 7.2.2005: Die Beklagte schuldete der Klägerin vertraglich wie deliktisch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, die sich nach dem medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebiets bestimmt (z.B. OLG Karlsruhe Urteil vom 12.10.2005 – 7 U 132/04 – [OLGR 2006, 8]). Ein Fehler ist dabei jeder Ver¬stoß gegen diese Standards. Ob ein Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, beantwortet sich danach, ob der Arzt nach den von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnissen und Erfahrungen im konkreten Fall diagnostisch und therapeutisch vertretbar und sorgfältig zu Werke gegangen ist (z.B. OLG Brandenburg Urteil vom 9.10.2002 – 1 U 7/02 – [VersR 2004, 199, 200] m.w.N.). Abzustellen ist dabei auf den Standard im Zeitpunkt der Behandlung. Dies ist deshalb vorliegend von besonderer Bedeutung, als der Sachverständige ausgeführt hat, dass sich in den letzten Jahren eine deutliche Änderung im Hinblick auf den jetzt bestehenden Facharzt für Orthopädie und Chirurgie gegenüber dem „alten“ Facharzt für Orthopädie ergeben hat. Der Sachverständige schildert es als deutsche Besonderheit, dass in der Vergangenheit strikt nach einem Facharzt für Orthopädie und einem solchen für Chirurgie unterschieden wurde und sich die Ausbildung des Orthopäden nicht auch auf den Bereich der Unfallchirurgie bezog (die geänderte Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt wurde erst im April 2005 beschlossen). Dies hat nach den Bekundungen des Sachverständigen Auswirkungen auf die Bewertung des Handelns bzw. Unterlassens der Beklagten am 7.2.2005 (als auch am 21.2.2005). Das Landgericht hat eine Pflichtverletzung für den 7.2.2005 verneint. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Sachverständige hält bereits den Verletzungsverlauf bei der Klägerin für außerordentlich ungewöhnlich. Eine Fersenbeinfraktur als Ermüdungsbruch sei ihm in 25 Jahren als Unfallchirurg niemals begegnet. Wenn die Klägerin also von Schmerzen im Mittelfuß der Beklagten gegenüber berichtete, ohne dass dies in Verbindung mit einem traumatischen Vorfall stand, dann musste die Beklagte eine Beteiligung des Fersenbeins nicht in Erwägung ziehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Behauptung der Beklagten zugrunde gelegt wird, dass am 7.2 2005 kein neuer Befund erhoben wurde, weil dann nach Ansicht des Sachverständigen infolge des Fehlens einer Unfallanamnese für eine Röntgenaufnahme des Fersenbeins keine Veranlassung bestand. Aber selbst dann, wenn es sich um einen Neubefund gehandelt haben sollte, gehörte es nicht zum Standard bei einem Facharzt für Orthopädie (alt) zum Ausschluss eines Bruches des Fersenbeins eine weitere Röntgenaufnahme davon anzufertigen. Dass eine weitere Röntgenaufnahme des Mittelfußes am 7.2.2005 unterblieben ist (in anderer Ebene), konnte nicht kausal werden, weil man auch auf einer solchen weiteren Aufnahme die Beteiligung des Fersenbeines nicht hätte erkennen können. Es kann also dahinstehen, ob eine solche zweite Röntgenaufnahme von der Beklagten nicht angeordnet wurde, oder diese in Folge einer Weigerung der Klägerin unterblieb oder deshalb, weil diese vor einer zweiten Aufnahme die Praxis der Beklagten verließ. Für den 7.2.2005 kann mithin unter Anlegung des vorstehend ausgeführten Facharztstandards (alt) bereits nicht von einem vorwerfbaren Diagnosefehler ausgegangen werden. 2. Fehldeutung der Röntgenaufnahme vom 21.2.2002 Der (objektive) Fehler als solcher (= Nichterkennen der Frakturlinie am Fersenbein auf der insoweit eindeutigen Röntgenaufnahme) ist unstreitig. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Klägerin die (haftungsbegründende) Kausalität zwischen diesem objektiven Diagnosefehler und dem Primärschaden nicht bewiesen hat. Die Kausalität hat das Landgericht verneint unter Hinweis darauf, dass der Sachverständige (zusammengefasst: Anhörung vom 19.5.2010 – Bl. 93 II -) ausgeführt hat, dass angesichts der vielfältigen Vorerkrankungen der Klägerin - Polyneuropathie (= Knochen befand sich quasi bereits in Auflösung) - Insulinpflichtiger Diabetes mellitus - Ihr Alter (62 Jahre) er selbst nicht operiert (was sich mit dem eigenen Vortrag der Klägerin deckt, dass im Jahre 2006 auch mehrere andere Ärzte die Operation verweigert haben), sondern für die konservative Behandlung (= Versteifung) plädiert hätte. D.h.: Auch bei Erkennen der Fraktur am 21.2.2005 wäre aller Voraussicht nach nicht operiert, sondern bei der Klägerin eine konservative Behandlung eingeleitet worden (oder hätte werden müssen, was bei der Klägerin tatsächlich nach der Diagnose der Fraktur nach dem 15.3.2005 veranlasst wurde, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nur ansatzweise entnehmen). Es ergeben sich damit keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich bei Beginn der Behandlung nach dem 21.2. ein günstigerer Verlauf ergeben hätte, wenn am Ende einer – konservativen - Behandlung immer der posttraumatische Plattfuß steht. Dafür, dass entgegen dieser Annahme ein – erfolgreicher – operativer Eingriff bei der Klägerin vorgenommen worden wäre, trifft diese die Darlegungs- und Beweislast. Soweit die Klägerin mit der Berufung vorrangig rügt, dass jedenfalls das Nichterkennen der Frakturlinie am 21.2.2005 grob pflichtwidrig gewesen sei, kann dem nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gefolgt werden. Zu diesem Punkt hat der Senat bereits mit seinem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 11.10.2010 (Bl. 15 ff. II) Stellung genommen, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Der Sachverständige hatte in seinem Ergänzungsgutachten die Frage nach der groben Fehlerhaftigkeit zunächst nicht beantwortet. In seiner Stellungnahme vom 25.1.2011 hat er dann – ohne nähere Begründung ausgeführt -, dass für eine H-Ärztin (zum Begriff: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., § 12, Rn. 36) das Übersehen der Fersenbeinfraktur einen groben Fehler darstelle. Ob dies so anzunehmen wäre, kann im Ergebnis dahinstehen. Da ein H-Arzt im Auftrag der Berufsgenossenschaft (gesetzlichen Unfallversicherer) tätig wird, kommt keine eigene, sondern nur eine Haftung des Auftraggebers unter dem Gesichtspunkt der Staatshaftung in Betracht (dazu: Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., A 87), sodass ein u.U. anzunehmender höherer Standard lediglich das Haftungsmaß des in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben handelnden Auftraggebers berührt. Wird ein Arzt demgegenüber nicht in seiner Eigenschaft als (H)eilbehandlungsarzt tätig, kann auch nur der für ihn allgemein geltende Facharztstandard und nicht ein u.U. höherer Standard für (die Haftung) eins H-Arztes zugrunde gelegt werden. (dazu ausdrücklich BGH Urteil vom 9.12.2008 – VI ZR 277/07 – [z.B. BGHZ 179, 115, 123; 124]: Wird der H-Arzt innerhalb seines Aufgabengebietes - § 12 Vertrag 2001 – tätig, handelt er hoheitlich; unterfällt die Behandlung nicht diesem Bereich hoheitlicher Tätigkeit, wird auch ein H-Arzt nur unter den Voraussetzungen eines „normalen“ Vertragsarztes in der gesetzlichen Krankenversicherung tätig). Die Beklagte selbst schuldete der Klägerin gegenüber mithin im Ergebnis „nur“ den normalen Facharztstandard für Orthopädie (alt) - (Als Kontrollüberlegung: Ob ein Arzt nur unterdurchschnittlich qualifiziert oder ein „Star“ auf seinem Gebiet ist [„und einen schlechten Tag erwischt hat“], haftungsrechtlich ist immer der allgemein geltende Facharztstandard zugrunde zulegen) -. Für die Klägerin bedeutet dies, dass von dem Standard auszugehen ist, der ihrer rein orthopädischen (im oben skizzierten Sinne) und eben nicht chirurgischen Qualifikation entspricht. Diesen Maßstab anlegend, gelangt der Sachverständige bei seiner Anhörung durch den Senat zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Beklagte den Bruch auf der Röntgenaufnahme vom 21.2.2005 nicht erkennen musste. Der Sachverständige weist in diesem Zusammenhang in Abgrenzung der haftungsrelevanten Standards gerade daraufhin, dass einem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie (neu) der Bruch bei Auswertung der Röntgenbilder hätte auffallen müssen. Nur ist dieser Standard auf die Beklagte nicht anzuwenden. Ob für einen Facharzt für Orthopädie (alt) nach der jetzt geltenden Weiterbildungsordnung die Verpflichtung besteht, sich auch in Fragen der Unfallchirurgie fortzubilden, bedarf für den vorliegenden Fall keiner Klärung, weil diese Weiterbildungsordnung jedenfalls nicht vor April 2005 (und damit nach den streitgegenständlichen Ereignissen) Geltung beanspruchen kann. Im Ergebnis kann damit auch für den 21.2.2005 jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass ein grober Diagnosefehler vorliegt. Die tatsächlichen Grundlagen dafür muss die Klägerin darlegen und beweisen. Da für die haftungsbegründende Kausalität das Beweismaß aus § 286 ZPO gilt, steht für den Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der hinreichenden Sicherheit fest, dass die Beklagte (am 21.2.2005) grob fehlerhaft gehandelt hat, was allein die Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Primärschaden rechtfertigen könnte. Kann die Klägerin die haftungsbegründende Kausalität nicht beweisen, ist die weitere Begründung des Landgerichts nicht zu beanstanden, das die Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen hat. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen. Die Schriftsätze der Beklagten vom 16.2.2011 und der Klägerin vom 18.02.2011 hat der Senat zur Kenntnis genommen, sie rechtfertigen keine abweichende Bewertung. gez. Dr. Zettel gez. Dr. Tiemann gez. Grimm ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. Dies soll verdeutlichen, aber keinesfalls natürlich den Sinn verändern.Wenn Sie vorsichtshalber zusätzlich die Originalversion sehen möchten, hier ist der Link zur QuelleLink zur Quelle (kein Link? Dann ist dieser Link nicht in unserer DB gespeichert, z.B. weil das Urteil vor Frühjahr 2009 gespeichert worden ist). |