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Text des Beschlusses
9 W 491/08;
Verkündet am:
07.11.2008
OLG Oberlandesgericht Jena
Vorinstanzen: 1 T 138/08 Landgericht Mühlhausen; Rechtskräftig: unbekannt! Beratungshilfe, Erhöhungsgebühr, Bedarfsgemeinschaft, SGB II Leitsatz des Gerichts: Nr. 1008 VV RVG Beratungshilfe, Erhöhungsgebühr, Bedarfsgemeinschaft, SGB II In dem Beratungshilfeverfahren der D. V. - Antragstellerin - Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. L. - Erinnerungsführer, Beschwerdeführer und weiterer Beschwerdeführer - Verfahrensbeteiligter: Bezirksrevisor beim Landgericht Mühlhausen - Antragsgegner, Beschwerdegegner und weiterer Beschwerdegegner - hat der 9. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bettin, Richterin am Oberlandesgericht Bötzl und Richter am Oberlandesgericht Timmer am 07.11.2008 beschlossen: Die weitere Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 28.07.2008 wird zurückgewiesen. Das weitere Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Mit Schriftsatz vom 15.09.2006, der beim Amtsgericht Heilbad Heiligenstadt erst am 13.12.2007 eingegangen ist, ist für die Antragstellerin Beratungshilfe beantragt worden, die auch bewilligt worden ist. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat die Festsetzung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV zu § 2 Abs. 2 Satz 2 RVG nebst einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV in Höhe von 91,00 € zuzüglich der Dokumentenpauschale nach Nr. 7002 VV und Mehrwertsteuer beantragt. Zur Begründung der Geltendmachung der Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV hat er ausgeführt, dass von dem Leistungsbescheid des Landkreises E. auch die minderjährige Tochter der Antragstellerin betroffen gewesen sei, die mit der Antragstellerin eine Bedarfsgemeinschaft bilde, so dass von einer Mehrvertretung auszugehen sei. Das Amtsgericht hat unter Absetzung der Erhöhungsgebühr den dem Bevollmächtigten zu erstattenden Betrag von auf 99,96 € festgesetzt. Der Verfahrensbevollmächtigte hat hiergegen erfolglos Erinnerung zum Amtsgericht sowie – nach entsprechender Zulassung durch das Amtsgericht – Beschwerde zum Landgericht Mühlhausen eingelegt. Dieses hat in dem die Beschwerde zurückweisenden Beschluss vom 28.07.2008, welcher dem Bevollmächtigten nach dessen Angaben am 07.08.2008 zugestellt worden ist, die Rechtsbeschwerde zugelassen. Am 21.08.2008 hat der Bevollmächtigte Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er weiterhin die Festsetzung der Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV in Höhe von 21,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer erreichen will. Unter Wiederholung und Vertiefung seiner bereits im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren geäußerten Ansicht vertritt er die Meinung, dass die Ablehnung der Festsetzung der Erhöhungsgebühr rechtsfehlerhaft erfolgt sei. Insbesondere sei die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verkannt worden. Dieses habe in seiner Entscheidung vom 07.11.2006 ausdrücklich klargestellt, dass in einer Übergangsphase bis zum 30.06.2007 davon auszugehen sei, dass im Verwaltungs- und Klageverfahren gegen Bescheide, die das „Arbeitslosengeld II“ nach dem SGB II betreffen, stets davon auszugehen sei, dass der Antrag bzw. die Klage von sämtlichen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gestellt bzw. erhoben worden ist, auch wenn dies in der Antrags- oder Klageschrift nicht explizit zum Ausdruck gekommen ist. Der Bevollmächtigte meint, diese Grundsätze müssten auch für das Kostenrecht gelten, so dass davon auszugehen sei, dass er nicht nur die Antragstellerin, sondern auch deren minderjährige Tochter vertreten habe. Zudem seien seitens des Amtsgerichts und des Landgerichts die Vertretungsvorschriften des § 164 BGB und des § 38 Abs. 2 SGB II verkannt worden. Hiernach sei die Antragstellerin ohne Weiteres zur Vertretung ihrer Tochter befugt gewesen. Der zum Rechtsbehelf angehörte Bezirksrevisor des Landgerichts Mühlhausen verteidigt die Festsetzung durch das Amtsgericht. Die weitere Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragstellerin ist nach ausdrücklicher Zulassung durch das Landgericht gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat der Rechtsbehelf jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Festsetzung einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV zu Recht abgelehnt, so dass sowohl die Zurückweisung der Erinnerung als auch der Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin rechtens war. Auch nach Auffassung des Senats hat der weitere Beschwerdeführer im Widerspruchsverfahren in kostenrechtlicher Hinsicht nur die Antragstellerin vertreten. Dies ergibt sich aus dem vorliegenden Schriftverkehr. So war der angefochtene Leistungsbescheid ausschließlich an die Antragstellerin gerichtet. Der Widerspruch wurde allein in deren Namen eingelegt und auch der Widerspruchsbescheid richtete sich ausschließlich an die Antragstellerin. Schließlich hat auch lediglich die Antragstellerin nachträglich Beratungshilfe beantragt. Auch aus der seitens des weiteren Beschwerdeführers zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich keine andere Beurteilung. Das BSG hat in der genannten Entscheidung vom 07.11.2006 (veröffentlicht etwa in FamRZ 2007, 724 ff.) die Auffassung vertreten, dass in einer Übergangszeit bis zum 30.06.2007 Anträge in Verwaltungs- und Klageverfahren „in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien“ danach zu beurteilen sind, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben müssen, um für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft die insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu erhalten, es sei denn, dass sich aus den Anträgen ausdrücklich etwas anderes ergibt. Die Rechtsprechung, die faktisch auf eine Fingierung der Klageerhebung für sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hinausläuft, ist ersichtlich ergangen, um „im Hinblick auf die vorliegenden rechtlichen Besonderheiten einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II und die daraus resultierenden tatsächlichen Ungereimtheiten des Verwaltungs- und prozessualen Verfahrens“ Rechtsnachteile für die potenziellen Leistungsempfänger zu vermeiden. Aus Sicht des Senats besteht jedoch kein Bedürfnis für eine „Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien“ auch für das Kostenrecht. Das Schutzbedürfnis der Antragsteller in Verfahren nach dem SGB II und dasjenige der Bevollmächtigten im Festsetzungsverfahren nach dem RVG sind nicht miteinander vergleichbar. Insoweit sind für das Kostenfestsetzungsverfahren die „üblichen Auslegungskriterien“ heranzuziehen. Danach ist aus den genannten Gründen jedoch davon auszugehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte ausschließlich die Antragstellerin vertreten und beraten hat. Auch eine Verletzung der Vorschriften des § 164 BGB oder des § 38 SGB II liegt ersichtlich nicht vor. Der Umstand, dass die Antragstellerin befugt war und ist, ihre Tochter im Verwaltungs- bzw. Klageverfahren zu vertreten, ändert nichts daran, dass vorliegend der Verfahrensbevollmächtigte lediglich die Antragstellerin beraten und vertreten hat. Die Ablehnung der Festsetzung der Erhöhungsgebühr ist somit zu Recht erfolgt, so dass die weitere Beschwerde zurückgewiesen werden musste. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG. Bettin Bötzl Timmer ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. 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