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Text des Beschlusses
10 Wx 13/08;
Verkündet am:
30.12.2008
OLG Oberlandesgericht Naumburg
Vorinstanzen: 2 T 190/07 Landgericht Halle; Rechtskräftig: unbekannt! Anfechtung? Abgrenzung zwischen gewollten wesentlichen Hauptwirkungen + nicht gewollten mittelbaren Nebenfolgen eines Rechtsgeschäfts hängt jeweils von Interessenabwägung zwischen Erklärungsbeteiligten im Einzelfall ab Titelauswahl: Franz-Anton Plitt, Chisinau - Internet entrepreneurLeitsatz des Gerichts: Ein zur Anfechtung berechtigender beachtlicher, weil zum Inhalt des Rechtsgeschäfts zu rechnender Irrtum ist nur dann anzunehmen, wenn der Erklärende infolge eines Rechtsirrtums von dem vorgenommenen konkreten Rechtsgeschäft selbst andere Hauptwirkungen erwartet hat, als eintreten mussten. Die Abgrenzung zwischen den gewollten wesentlichen Hauptwirkungen und den nicht gewollten mittelbaren Nebenfolgen eines Rechtsgeschäfts hängt jeweils von einer Interessenabwägung zwischen den Erklärungsbeteiligten im Einzelfall ab. Der Senat bejaht vorliegend eine beachtliche zur Anfechtung berechtigende Fehlvorstellung, bei Irrtum über die rechtlichen Auswirkungen der Annahme der Erbschaft auf den Zugewinnausgleich und das kleine, nicht erhöhte Pflichtteilsrecht des Erklärenden. In der Nachlasssache … hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Handke als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht Göbel und die Richterin am Amtsgericht Wolter am 30. Dezember 2008 beschlossen: Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 14. Februar 2008 abgeändert. Die Verfügung des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Sangerhausen vom 13. Februar 2007 wird aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, den Gemeinschaftlichen Erbschein vom 25. Oktober 2005 nach der am 11. Oktober 2005 in M. gestorbenen und zuletzt in S. wohnhaft gewesenen Erblasserin H. H. , geborene G. , als unrichtig einzuziehen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt. Der Beschwerdewert wird auf 3.000,-- Euro festgesetzt. In die Ehe brachte sie einen Sohn, den Beteiligten zu 2), aus der Ehe mit dem Beteiligten zu 1) entstammte ein gemeinsames Kind, die Beteiligte zu 3). In dem von der Erblasserin am 26. Dezember 2004 privatschriftlich errichteten Testament, das von dem Nachlassgericht am 21. Oktober 2005 eröffnet wurde, bestimmte sie, dass ihr Ehemann, der Beteiligte zu 1), und ihre Kinder, die Beteiligten zu 2) und zu 3) zu gleichen Teilen erben sollten. Auf Antrag des Beteiligten zu 1) vom 21. Oktober 2005 erteilte das Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die Beteiligten zu 1) bis 3) als Miterben nach der verstorbenen Frau H. H. zu einer Erbquote von je 1/3 des Nachlasses auswies. Zum Nachlass der Erblasserin gehört das von den Ehegatten gemeinsam errichtete und finanzierte Einfamilienhaus in S. , das im Alleineigentum der Erblasserin stand. Mit der vor der Notarin R. W. mit Amtssitz in E. zur Urkundenrollen-Nummer 1360/2006 beurkundeten Erklärung vom 18. September 2006 hat der Beteiligte zu 1) die Annahme der Erbschaft angefochten und zugleich deren Ausschlagung erklärt. Zur Begründung der Anfechtung hat er vorgetragen, dass er erst am 11. August 2006 von seinem Rechtsanwalt darüber aufgeklärt worden sei, dass er durch die Annahme der Erbschaft einen finanziellen Nachteil erleide. Ihm sei zuvor unbekannt gewesen, dass die Annahme der Erbschaft den Verlust seines Zugewinnausgleichsanspruchs nach § 1371 Abs. 2 BGB sowie des kleinen Pflichtteilsanspruchs zur Folge gehabt habe, diese Ansprüche ihm somit nur im Falle der Ausschlagung zugestanden hätten. Er ist daher der Ansicht gewesen, dass er bei Annahme der Erbschaft einem beachtlichen Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB erlegen gewesen sei. Er habe sich nämlich darüber geirrt, dass er sich im Falle der Annahme der Erbschaft der Möglichkeit beraube, Zugewinnausgleichsansprüche geltend zu machen. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass er trotz Erbschaftsannahme nicht gehindert sei, daneben den Zugewinn zu beanspruchen. Insofern habe er sich über die Rechtsfolgen seines Handelns geirrt. Im Übrigen sei er von der Erblasserin über den Inhalt der testamentarischen Verfügung seinerzeit nicht informiert worden. Nachdem das Nachlassgericht den Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 02. Oktober 2006 auf Bedenken gegen die von diesem vertretene Rechtsansicht hingewiesen hatte, hat es mit Verfügung vom 13. Februar 2007 festgestellt, dass der Erbschein vom 25. November 2005 die Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wieder gebe und kein Anlass bestehe, den Erbschein als unrichtig gemäß § 2361 BGB einzuziehen. Zur Begründung hat das Nachlassgericht im wesentlichen ausgeführt, dass der Beteiligte zu 1) die Annahme der Erbschaft nicht wirksam mit der Folge des § 1957 BGB angefochten habe. Denn ihm habe kein Anfechtungsgrund zur Seite gestanden; insbesondere beruhe die mit dem Erbscheinsantrag ausdrücklich erklärte Annahme der Erbschaft nicht auf einem Inhalts- oder Rechtsfolgenirrtum. Dem Antragsteller sei vielmehr bewusst gewesen, dass er mit Annahme der Erbschaft Miterbe werde. Diese Rechtsfolge habe er auch durchaus gewollt. Seine Fehlvorstellung habe sich auf eine Nebenfolge bezogen, nämlich auf den Verlust des Rechts, Zugewinnausgleichsansprüche geltend machen zu können. Der nicht erkannte Eintritt einer zusätzlichen Rechtswirkung stelle sich jedoch als ein unbeachtlicher Motivirrtum dar. Gegen diese, eine Einziehung des Erbscheins ablehnende Verfügung hat der Beteiligte zu 1) mit dem am 03. April 2007 bei dem Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er hat die Ansicht vertreten, dass der Anfechtung keineswegs ein unbeachtlicher Motivirrtum, sondern vielmehr ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum zugrunde liege. Denn er habe mit der Annahme der Erbschaft keineswegs seine Zugewinnausgleichsansprüche verlieren wollen, die Annahme habe daher wesentlich andere als die beabsichtigten Rechtswirkungen entfaltet. Der Beteiligte zu 1) habe für den Erwerb des Grundbesitzes sowie die Errichtung des Hauses erhebliche Aufwendungen in Höhe von weit über 200.000,-- Euro getätigt, hieraus würde ein beachtlicher Zugewinnausgleichsanspruch resultieren. Er ist insofern der Meinung gewesen, dass der vorliegende Sachverhalt ähnlich zu beurteilen sei wie die dem Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 05. Juli 2006 (IV ZB 39/05) zugrunde liegende Fallkonstellation, bei der der Bundesgerichtshof erkannt habe, dass die Fehlvorstellung des als Alleinerbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten über die Notwendigkeit einer Ausschlagung der belasteten Erbschaft zur Erhaltung seines Anspruchs auf den Pflichtteil als ein die Anfechtung rechtfertigender beachtlicher Inhaltsirrtum zu werten sei. Das Nachlassgericht hat am 11. Mai 2007 beschlossen, der Beschwerde des Beteiligten zu 1) nicht abzuhelfen und das Rechtsmittel dem Landgericht zur Entscheidung in der Sache vorzulegen. Mit Beschluss vom 14. Februar 2008 hat das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 1) unter Verweis auf die für zutreffend erachtete Begründung des Nachlassgerichts zurück gewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass sich der Verlust der Zugewinnausgleichsansprüche allenfalls als eine mittelbare Rechtswirkung der Erbschaftsannahme darstelle, auf deren Unkenntnis eine Anfechtung der unmittelbar erklärten Erbschaftsannahme aber nicht gestützt werden könne. Dementsprechend sei hier von einem unbeachtlichen Motivirrtum auszugehen. Die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 05. Juli 2006 (Geschäftszeichen IV ZB 39/05) stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt weiche von dem hier vorliegenden Fall in dem entscheidenden Punkt ab, dass bei dem dortigen Beschwerdeführer eine positive, wenn auch fehlerhafte Vorstellung über die Rechtsfolge der Annahme vorgelegen habe. Der Beteiligte zu 1) habe sich bei Annahme der Erbschaft dagegen keinerlei Gedanken über die Auswirkungen auf seinen Zugewinnausgleichsanspruch gemacht. Gegen diesen, dem Beteiligten zu 1) am 25. Februar 2008 zugestellten Beschluss hat er mit einem am 07. April 2008 eingegangenen Schriftsatz weitere Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 1) rügt eine Verletzung des Rechts und trägt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend vor, dass er erstmals am 11. August 2006 durch seinen Verfahrensbevollmächtigten über die Rechtslage aufgeklärt worden sei. Bis dahin sei er irrtümlich davon ausgegangen, dass die Annahme der Erbschaft die für ihn finanziell günstigste Lösung dargestellt habe. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er mit der Annahme der Erbschaft seiner Zugewinnausgleichsansprüche verlustig gehe. Durch die Annahme der Erbschaft würden ihm erhebliche finanzielle Einbußen von rund 20.000,-- Euro erwachsen. Bei dem Erhalt bzw. Verlust der Zugewinnausgleichsansprüche handele es sich auch nicht um eine bloß zusätzliche oder mittelbare Rechtsfolge der Annahme, die zu der gewollten hinzutrete. Der Wegfall der Zugewinnausgleichsansprüche stelle sich vielmehr als eine Hauptwirkung der Annahme dar, die aus dieser unmittelbar folge. Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze bzw. Schreiben Bezug genommen. Die Berechtigung des Beteiligten zu 1) zur Einlegung der weiteren Beschwerde folgt gemäß §§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 4 FGG bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde durch das Landgericht zurückgewiesen worden ist. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG in Verbindung mit § 546 ZPO), weil das Landgericht zu Unrecht einen Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 1 BGB verneint und die Einziehung des erteilten gemeinschaftlichen Erbscheins nach § 2361 BGB abgelehnt hat. Da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG in Verbindung mit § 563 ZPO). Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Anweisung an das Amtsgericht, den erteilten Erbschein einzuziehen. Insbesondere ist die Beschwerdebefugnis aus § 20 Abs. 1 FGG gegeben. Die mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins eingelegte Beschwerde steht gemäß § 20 Abs. 1 FGG jedem zu, der durch die Erteilung des Erbscheins in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Durch den Inhalt des Erbscheins beeinträchtigt ist aber auch der im Erbschein ausgewiesene Erbe, der geltend macht, er sei nicht Erbe geworden, und zwar selbst dann, wenn ihm – wie hier – der Erbschein zuvor auf seinen eigenen Antrag hin erteilt worden ist (vgl. BGHZ 30, 261; KG NJW-RR 2004, 801 - 802 zitiert nach juris; Edenhofer in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 2361 BGB Rdn. 14 m.w.N.). Das Nachlassgericht hat den Erbschein gemäß § 2361 Abs. 1 BGB von Amts wegen einzuziehen, wenn sich ergibt, dass der erteilte Erbschein unrichtig ist. Eine Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins liegt vor, wenn die Voraussetzungen für dessen Erteilung ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind. Dies ist hier der Fall. Denn die in dem Erbschein ausgewiesene Erbenstellung des Beteiligten zu 1) ist unzutreffend, weil der Beteiligte zu 1) die Annahme der Erbschaft wirksam nach §§ 119 Abs. 1, 1954, 1955 BGB angefochten hat und dadurch dessen Erbenstellung rückwirkend beseitigt wurde (§ 1957 BGB). Denn die Erbschaft gilt in diesem Fall gemäß § 1957 Abs. 1 BGB als ausgeschlagen. 1. Der Beteiligte zu 1) hat die Anfechtung der Erbschaftsannahme formell ordnungsgemäß gegenüber dem Nachlassgericht erklärt. Die notariell beurkundete Anfechtungserklärung vom 18. September 2006 genügt den formellen Anforderungen der §§ 1955, 1945 Abs. 1 BGB. 2. Dem Beteiligten zu 1) steht auch ein Anfechtungsgrund zur Seite. Worauf die Anfechtung gestützt wird, richtet sich allein nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB; denn die Sonderregeln der §§ 1954, 1955, 1957 BGB für Form, Frist und Wirkung der Anfechtung setzen zwar die Möglichkeit der Anfechtung voraus, enthalten jedoch selbst keine Bestimmungen zu den Gründen, die eine Anfechtung rechtfertigen können, ändern und erweitern die Anfechtungsgründe dementsprechend auch nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 05. Juli 2006, IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 - 220 zitiert nach juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23. Februar 2006, 3 W 6/06 zitiert nach juris; BayObLG NJW-RR 1999, 590, 591). a) Mit Stellung des Antrages auf Erteilung eines Erbscheins, der ihm als Miterben neben den Beteiligten zu 2) und zu 3) ausweisen sollte, hat der Beteiligte zu 1) die Erbschaft nach der am 11. Oktober 2005 verstorbenen Erblasserin angenommen. Der mit der Beantragung des Erbscheins verbundene Erklärungsgehalt war ihm bewusst, die Annahme entsprach dabei zweifellos seinem seinerzeitigen Willen. Äußerer Erklärungstatbestand und Erklärungswille deckten sich mithin. b) Der Beteiligte zu 1) erlag allerdings einem Inhaltsirrtum, der ihm zur Anfechtung seiner Erklärung nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt. Denn er irrte bei Annahme der Erbschaft über Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung. Soweit die Vorinstanzen einen nach § 119 Abs. 1 BGB beachtlichen Rechtsirrtum dagegen mit der Begründung verneint haben, dass der Verlust des nach Ausschlagung zu beanspruchenden Zugewinnausgleichsanspruchs sowie des sog. „kleinen“ Pflichtteilsrechts nur mittelbare Rechtsfolgen der Annahme darstellen würden und sich der Beteiligte zu 1) über die Entscheidungsvarianten des § 1371 BGB überdies keine Gedanken gemacht habe, kann der Senat dem nicht folgen. aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung auch darin gesehen werden kann, dass der Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen erzeugt, sondern auch solche, die sich davon erheblich unterscheiden. Ein derartiger Rechtsirrtum berechtigt allerdings nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Nebenwirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen bloß hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein lediglich unbeachtlicher Motivirrtum (vgl. RGZ 88, 278, 284; RGZ 93, 3, 9; BGHZ 134, 152, 156; BGH, Beschluss vom 05. Juli 2006, IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 - 220 zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. September 2005, 15 W 188/05 zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Juli 1981, 15 W 42/81 zitiert nach juris; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 946, 947; Heinrichs in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 119 BGB Rdn. 15; Edenhofer in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 1954 BGB Rdn. 3 m.w.N.; Otte in Staudinger, BGB, Bearbeitung November 2007, § 1954 BGB Rdn. 5 ff.; Schlüter in Erman, BGB, 12. Aufl., § 1954 BGB Rdn. 3). Ein beachtlicher, weil zum Inhalt des Rechtsgeschäfts zu rechnender Irrtum ist dementsprechend nur dann anzunehmen, wenn der Erklärende infolge eines Rechtsirrtums von dem vorgenommenen konkreten Rechtsgeschäft selbst andere Hauptwirkungen erwartet hat, als eintreten mussten, er also eine Erklärung abgegeben hat, die nicht die beabsichtigte, sondern eine anderweite Rechtswirkung herbeigeführt hat. Diese Aufspaltung in die gewollten wesentlichen Hauptwirkungen und die nicht gewollten mittelbaren Nebenfolgen eines Rechtsgeschäfts ist nicht allgemein eindeutig begrifflich bestimmbar, sondern hängt von einer Bewertung der Interessenlage im Einzelfall ab und lässt sich daher als Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen den Erklärungsbeteiligten rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 05. Juli 2006, IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 - 220 zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Juli 1981, 15 W 42/81 zitiert nach juris; Schlüter in Erman, BGH 12. Aufl., § 1954 BGB Rdn. 3; Otte in Staudinger, BGB, Bearbeitung November 2007, § 1954 BGB Rdn. 8). bb) Ob eine Fehlvorstellung über die rechtlichen Auswirkungen der Annahme der Erbschaft auf den Zugewinnausgleich und das kleine, nicht erhöhte Pflichtteilsrecht des Beteiligten zu 1) als Hauptwirkung zu dem Inhalt des Rechtsgeschäfts oder nur zu seinen mittelbaren Nebenwirkungen zählt, bleibt danach letztlich eine Wertungsfrage, die der Senat hier - im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 05. Juli 2006 (IV ZB 39/05; BGHZ 168, 210 - 220) - im Sinne eines nach § 119 Abs. 1 BGB beachtlichen Inhaltsirrtums beantwortet (vgl. ebenso Mayer in Bamberger/Roth; Beck’scher Online-Kommentar, BGB, Stand 01. November 2008, § 1371 BGB Rdn. 34; a.A. Koch in Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl. Bearbeitung 2000, § 1371 BGB Rdn. 40; Thiele in Staudinger, BGB, Februar 2007, § 1371 BGB Rdn. 37). (1) In seinem Beschluss vom 05. Juli 2006 (IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 - 220) hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf einen Rechtsirrtum über das Wahlrecht aus § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB zwischen belasteten Erbteil und Pflichtteil die rechtlichen Auswirkungen der Annahme auf das Pflichtteilsrecht den Hauptwirkungen des Rechtsgeschäfts zugeordnet und die irrige Vorstellung des unter Beschwerungen als Alleinerbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf das Pflichtteil nicht zu verlieren, daher als beachtlichen Inhaltsirrtum gewertet. Der Bundesgerichtshof hat hierbei entscheidend darauf abgestellt, dass in den Fällen des § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB ein „Wahlrecht“ zwischen der Annahme der beschwerten Erbschaft und der Erlangung eines Pflichtteilsanspruchs infolge Ausschlagung bestehe. Wer aber in Unkenntnis dieses Wahlrechts die Erbschaft annehme, irre sich über die „unmittelbaren und wesentlichen“ Wirkungen seiner Erklärung. Denn der Verlust des Pflichtteilsrechts als Rechtsfolge der Annahme präge deren Charakter nicht weniger als das Einrücken in die Rechtsstellung des Erben; beide Folgen seien „zwei Seiten derselben Medaille“ (BGHZ 168, 210 - 220 zitiert nach juris). Das Gesetz habe nämlich in § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB die Möglichkeit der Ausschlagung gerade zu dem Zweck eröffnet, unbelastet von Beschränkungen und Beschwerungen den Pflichtteil geltend machen zu können. Der Kern der Argumentation liegt mithin darin, dass man ein Wahlrecht nur sinnvoll ausüben kann, wenn man sich auch der Alternativen bewusst ist, so dass bei einer endgültigen Verneinung des Wahlrechts trotz irrtumsbedingter Unkenntnis seiner Alternativen der Gesetzeszweck verfehlt würde (vgl. zustimmend: Leipold ZEV 2006, 500, 501; Olzen/Schwarz, Urteilsanmerkung in JZ 2007, 420, 422). (2) Die der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB zugrunde liegende Wertung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn auch hier eröffnet das Gesetz in § 1371 Abs. 3 BGB dem überlebenden Ehegatten, der mit dem Erblasser bis zu dessen Versterben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, ein Wahlrecht: Dem überlebenden Ehegatten steht frei, die Erbeinsetzung anzunehmen oder aber durch Ausschlagung die güterrechtliche Lösung zu wählen, die darin besteht, dass er neben dem sog. „kleinen“, nicht erhöhten Pflichtteilsanspruch den Ausgleich des Zugewinns nach §§ 1373 ff. BGB beanspruchen kann. § 1371 Abs. 3 BGB gibt dem ausschlagenden Ehegatten unter der Voraussetzung, dass er bis zum Tod des anderen Ehegatten in Zugewinngemeinschaft gelebt hat, stets den kleinen Pflichtteilsanspruch, weil dieser ein schutzwürdiges Interesse an der Ausschlagung haben kann und in seiner Entschließung, ob er die Erbschaft ohne Ausgleichsforderung oder die Ausgleichsforderung ohne Erbschaft, aber mit Pflichtteil wählen will, frei sein soll (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 1371 BGB Rdn. 19). Die Vorschrift stellt danach aber - ebenso wie § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB - eine unmittelbare rechtliche Verknüpfung zwischen der Ausschlagung der Erbschaft und der güterrechtlichen Lösung her. Angesichts dieser rechtlichen Verknüpfung lassen sich die unmittelbaren und wesentlichen Rechtsfolgen einer ausdrücklich erklärten Annahme aber auch im Rahmen des von § 1371 Abs. 3 BGB eröffneten Wahlrechts nicht generell darauf beschränken, dass der Erklärende die sich aus der letztwilligen Verfügung ergebende Rechtsstellung des Erben einnimmt (vgl. Mayer in Bamberger/Roth; Beck’scher Online-Kommentar, BGB, Stand 01. November 2008, § 1371 BGB Rdn. 34). Die rechtliche Wirkung der Annahme erschöpft sich vielmehr keineswegs bloß in dem Erwerb der erbrechtlichen Stellung, sondern versperrt zugleich den Weg zur güterrechtlichen Lösung: Der Testamentserbe erhält weder den kleinen Pflichtteil noch kann er den Zugewinnausgleich geltend machen. Die Entscheidung, ob der überlebende Ehegatten die Erbeinsetzung annehmen oder ausschlagen soll, setzt damit stets eine Interessenabwägung voraus (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 68. Aufl., § 1371 BGB Rdn. 19 m.w.N.), die aufgrund der Fehlvorstellung des Beteiligten zu 1) hier allerdings irrtumsbehaftet war. Denn der Beteiligte zu 1) war der Überzeugung, dass er durch die Annahme der Erbschaft keiner Rechtsposition verlustig gehe. Wenn aber das Gesetz dem überlebenden Ehegatten ein Wahlrecht zwischen der testamentarischen Erbeinsetzung einerseits und dem Zugewinnausgleich mit sog. „kleinen“ Pflichtteilsrecht (güterrechtliche Lösung) einräumt, müssen aber die rechtlichen Wirkungen der Ausschlagung (dann güterrechtliche Lösung) bzw. umgekehrt der Annahme der Erbschaft (erbrechtliche Lösung) ohne weiteres den Hauptwirkungen des Rechtsgeschäfts zugeordnet werden. Ist dem Erben unbekannt, dass er durch die Annahme sowohl den kleinen Pflichtteil als auch die güterrechtlichen Ansprüche verliert, unterliegt er nämlich einem Irrtum im Hinblick auf die spezifische Verknüpfung, die § 1371 Abs. 3 BGB zwischen der Ausschlagung und der güterrechtlichen Lösung samt Pflichtteil herstellt. Ein Irrtum über die mit der Annahme oder Ausschlagung eintretenden Rechtsfolgen, also ob die erb- oder güterrechtliche Lösung eintritt, muss demnach ebenfalls zu einer Irrtumsanfechtung berechtigen, weil damit – ebenso wie bei § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB bei der Ausschlagung zur Pflichtteilserlangung – das von § 1371 Abs. 3 BGB eröffnete Wahlrecht, und damit eine Hauptwirkung dieser Willenserklärung verkannt wird (vgl. Mayer in Bamberger/Roth; Beck’scher Online-Kommen-tar, BGB, Stand 01. November 2008, § 1371 BGB Rdn. 34). Diese Bewertung trägt überdies der besonderen Interessenlage im Erbrecht Rechnung, bei der auf Verkehrs- und Vertrauensschutzinteressen nicht in vergleichbaren Maße Rücksicht genommen werden muss wie im Schuldrecht (vgl. zu den Einzelheiten: Olzen/Schwarz, JZ 2007, 420, 422). cc) Selbst wenn der Beteiligte zu 1) bei Annahme der Erbschaft über keine konkreten Vorstellungen über das Bestehen vermeintlich weitergehender Zugewinnausgleichsansprüche verfügt haben sollte, hat er sich gleichwohl in einem beachtlichen Irrtum über die Tragweite seiner Erklärung befunden. In dem der hier in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 05. Juli 2006 – IV ZB 39/05 (BGHZ 168, 210 - 220) zugrunde liegenden Sachverhalt ist der pflichtteilsberechtigte Erbe zwar von positiven Fehlvorstellungen ausgegangen, die – nach den Angaben des dortigen Beteiligten – auf fehlerhaften oder unklaren Informationen in einem Buch-Ratgeber beruhten, während sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall wohl keine vertieften Gedanken über seinen Zugewinnausgleich gemacht hat. Dieser Sachverhaltsunterschied rechtfertigt jedoch keine abweichende Beurteilung. Es liegt vielmehr in der Konsequenz der BGH-Entscheidung, auch bei einem solchen Nicht-Bedenken bzw. Nicht-Erkennen der Zusammenhänge einen Anfechtungsgrund zu bejahen, weil auch dann der Verlust güterrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht vom Willen des Annehmenden getragen worden ist (vgl. ebenso: Leipold, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 05. Juli 2006, IV ZB 39/05, ZEV 2006, 498, 501). Als rechtsunkundiger Bürger, der seinerzeit auch noch nicht anwaltlich vertreten war, mag er sich zwar keinen klaren Begriff von der Rechtslage gemacht und an etwaige güterrechtliche Ansprüche in dieser konkreten Gestaltung möglicherweise gar nicht gedacht haben. Seine Rechtsunkenntnis und das Fehlen konkreter positiver Vorstellungen über die rechtlichen Auswirkungen auf einen etwaigen Zugewinnausgleich stehen der Annahme eines Rechtsirrtums jedoch nicht generell entgegen. Denn zumindest darf hier davon ausgegangen werden, dass der Beteiligte zu 1) bei Annahme der Erbschaft in der allgemeinen Vorstellung und dem Glauben handelte, die für ihn vorteilhafteste, d. h. finanziell günstigste Lösung ohne Preisgabe etwa weitergehender güterrechtlicher Ansprüche gewählt zu haben. Eine allgemeine, eher unbestimmte Vorstellung, sich durch die Erbschaftsannahme zumindest keiner sonstigen Rechte zu begeben, diese vielmehr auf Dauer erhalten zu haben, vermag aber zu genügen. Auf konkrete rechtliche Tatbestände mussten sich die Überlegungen des Beteiligten zu 1) nicht beziehen. Dies kann von einem anwaltlich nicht beratenen, rechtsunkundigen Bürger im allgemeinen auch nicht erwartet werden. Der Rechtsunkundige würde zudem niemals glauben, dass er gerade mit der ausdrücklichen Annahme der Erbschaft eine maßgebliche Beteiligung am Nachlass verlieren könnte, oder umgekehrt, dass er ausgerechnet durch die Ausschlagung eine wertmäßig größere Beteiligung am Erbe erhalten hätte (vgl. Keim ZEV 2003, 358, 360; zustimmend: BGH BGHZ 168, 210 - 220 zitiert nach juris). Der Verlust des Zugewinnausgleichsanspruchs bedeutet bei einer derartigen Ausprägung des rechtsgeschäftlichen Willens aber nicht lediglich eine unerkannte und ungewollte kraft Gesetzes eintretende Nebenfolge. dd) Auf dieser Grundlage kann schließlich auch davon ausgegangen werden, dass der Irrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB ursächlich war für die Erbschaftsannahme. Bei Kenntnis der wahren Sachlage und verständiger Würdigung des Falls hätte er nämlich die Erbschaft in jedem Fall ausgeschlagen. 3. Die sechswöchige Anfechtungsfrist gemäß § 1954 BGB hat der Beteiligte zu 1) ebenfalls gewahrt. Die Frist beginnt mit der Kenntnis von dem Anfechtungsgrund; d. h. im vorliegenden Fall mit dem 11. August 2006, denn an diesem Tag hat der Beteiligte zu 1) nach eigenem unwidersprochenen Vorbringen erstmals von seinem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt P. erfahren, dass er infolge der Annahme der Erbschaft wegen der damit verbundenen Preisgabe seiner Ausgleichsforderung einen Nachteil erleide. Die am 18. September 2006 erklärte und am 20. September 2006 bei dem Nachlassgericht eingegangene Anfechtung ist danach rechtzeitig erfolgt. 4. Der gemeinschaftliche Erbschein vom 25. November 2005 weist die Erbrechtslage nach alledem unrichtig aus und ist dementsprechend gemäß § 2361 BGB einzuziehen. Denn aufgrund der wirksamen Anfechtung ist die Annahme der Erbschaft mit ex tunc Wirkung entfallen; die Anfechtung der Annahme gilt zugleich als Erbschaftsausschlagung (§ 1357 BGB). Über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der ersten und der weiteren Beschwerde ist aufgrund der abändernden Entscheidung des Senats gemäß § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG zu entscheiden. Eine Erstattungsanordnung entspricht nicht der Billigkeit. Denn im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit haben die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen. Der Umstand allein, dass die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) sachlich Erfolg hat, rechtfertigt deshalb keine Erstattungsanordnung. Den Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Senat - in Übereinstimmung mit der Wertbestimmung durch das Landgericht - mangels konkreter Bewertungsfaktoren für eine Wertfestsetzung anhand des Anteils am reinen Nachlasswert nach §§ 107 Abs. 2, 108 KostO gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, Abs. 2 KostO auf 3.000,-- Euro festgesetzt. Das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Einziehung des Erbscheins vermag der Senat ohne konkrete Anhaltspunkte zur Höhe des Nachlasswertes und der Ausgleichsforderung nicht zuverlässig einzuschätzen. gez. Handke gez. Wolter gez. Göbel ----------------------------------------------------- Die von uns erfassten Urteile wurden oft anders formatiert als das Original. Dies bedeutet, daß Absätze eingefügt und Hervorhebungen durch fett-/kursiv-/&farbig-machen sowie Unterstreichungen vorgenommen wurden. 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