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Text des Urteils
3 Sa 755/10;
Verkündet am: 
 03.03.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
5 Ca 17002/09
Arbeitsgericht
München;
Rechtskräftig: unbekannt!
Arbeitgeber hat mit Schadenersatzansprüchen gegen Ansprüche des Klägers auf Entgelt, Reisekosten/Spesen etc. unzulässigerweise aufgerechnet und vorsätzlche Schädigung durch den Arbeitnehmer behauptet
Leitsatz des Gerichts:
§ 520 TPO; § 626 BGB; § 394 BGB; § 850 a ZPO; § 850 c ZPO

Arbeitgeber hat mit Schadenersatzansprüchen gegen Ansprüche des Klägers auf Entgelt, Reisekosten/Spesen etc. unzulässigerweise aufgerechnet und vorsätzlche Schädigung durch den Arbeitnehmer behauptet. Der Schaden ist entstanden, als der Kläger -Sprenghelfer - in einem geneigten Gelände mit einem fahrberen Bohrgerät noch zwei Bohrlöcher setzte und das Gerät umstürzte.

Beide Parteien haben gegen das der Klage des Arbeitnehmers teilweise stattgebende - und die Aufrechnung der Beklagten als unzulässig behandelnde - Endurteil Berufung eingelegt. Die Berufung des Klägers war unzulässig, die der Beklagten unbegründet
In dem Rechtsstreit
B.
- Kläger, 1. Berufungsbeklagter und 2. Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:

gegen
Firma R.
- Beklagte, 1. Berufungsklägerin und 2. Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter:

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Römelt und Hegedüsch für Recht erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.06.2010 - 5 Ca 17002/09 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.06.2010 - 5 Ca 17002/09 - wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 48 % und die Beklagte 52 % zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt für September und 01. bis 07. Oktober 2009, Spesen, Vergütung für Überstunden sowie Urlaubsabgeltung, ferner um von der Beklagten gegenüber dem Kläger im Wege der Aufrechnung geltend gemachte Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung von Firmeneigentum.

Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.04.2008 ab 19.05.2008 als Sprengberechtigter/Sprenghelfer beschäftigt. § 6 des Arbeitsvertrages enthält eine Regelung über die Erstattung von Spesen und Auslagen. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 05.10.2009 fristlos zum 07.10.2009 aufgrund des „fahrlässigen Verhaltens und dem folgenschweren Bohrgeräte-Unfall am Mittwoch, den 30.09.2009 …“. Sie rechnete die Vergütung des Klägers für September 2009 unter dem 25.09.2009 ab und erstellte gegenüber der Bundesagentur für Arbeit mit Datum 09.10.2009 einen Nachweis über gezahltes Arbeitsentgelt, der für Oktober 2009 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 600,00 € ausweist. Eine Zahlung erfolgte jedoch nicht, auch nicht auf die Reisekostenabrechnungen des Klägers für Juli bis September 2009.

Der Kündigung liegt ein Unfall am 01.10.2009 auf einer Baustelle in einem Steinbruch in G. zugrunde. Der Kläger hatte dort für eine sogenannte Großbohrlochsprengung das Bohrlochraster zu bohren. Der Kläger wollte abschließend noch zwei weitere Sprenglöcher in einem Gelände bohren, das eine starke Neigung aufweist. Ob ihm dies von dem von Seiten der Beklagten gegenüber der Regierung von Oberbayern - Gewerbeaufsichtsamt - als sprengberechtigte Person benannten Mitarbeiter ausdrücklich untersagt wurde und ob dieser Mitarbeiter den Kläger anwies, das fahrbare Bohrgerät aus der Sprengstelle herauszufahren, ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger fuhr mit dem fahrbaren Bohrgerät an die von ihm bezeichnete Stelle, wobei das Bohrgerät umstürzte. Der Kläger wurde selbst hierbei verletzt.

Den Schaden am Bohrgerät selbst, den die Beklagte auf 91.079,23 € beziffert, trug die Haftpflichtversicherung der Beklagten bis auf einen Selbstbehalt von 1.000,00 €. Ferner hat die Beklagte ein Ersatzgerät angemietet und auf ihre Kosten zu einem Einsatzort in Österreich transportieren lassen, wofür sie nach ihren Angaben einen Gesamtbetrag in Höhe von 15.403,12 € aufwenden musste.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten im ersten Rechtszug Ansprüche auf Entgelt für September 2009 in Höhe von 2.640,00 € brutto sowie für Oktober 2009 in Höhe von 600,00 € brutto, auf Reisekostenerstattung für 01.07.2009 bis 07.10.2009 in Höhe von insgesamt 4.498,48 € netto, auf Vergütung von 351 Überstunden im Zeitraum vom 01.05.2008 bis 07.10.2009 in Höhe von 5.265,00 € brutto, auf Abgeltung von sieben Urlaubstagen aus dem Jahr 2009 in Höhe von 840,00 € brutto sowie auf Herausgabe von Arbeitspapieren geltend gemacht. Der letztgenannte Anspruch wurde von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte rechnet gegenüber den Klageforderungen mit einer Schadenersatzforderung in Höhe von 16.403,12 € auf, weil der Kläger gegen Anweisung des verantwortlichen Mitarbeiters am 01.10.2009 beim Versuch, zwei weitere Sprenglöcher in stark geneigtem Gelände zu bohren, mit dem fahrbaren Bohrgerät umgestürzt sei und einen Schaden mindestens in dieser Höhe verursacht habe. Der Kläger hätte nach dem Vortrag der Beklagten auch ohne Anweisung erkennen müssen, dass der Baustellenbereich an der von ihm angefahrenen Stelle so steil war, dass das Bohrgerät zwangsläufig umkippen musste. Somit habe der Kläger vorsätzlich gehandelt.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 30.06.2010 - 5 Ca 17002/09 -, auf das hinsichtlich des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Beklagte zur Zahlung der geltend gemachten Vergütung für September 2009 und Oktober 2009 (2.640,00 € brutto sowie 600,00 € brutto), ferner von Reisekosten bzw. Spesen für den Zeitraum Juli bis September 2009 (4.008,48 € netto) verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe die Ansprüche auf Lohn für September und Oktober 2009 schlüssig dargelegt; die Beklagte habe die Ansprüche nicht bestritten. Auch die Ansprüche auf Erstattung von Reisekosten für Juli bis September 2009 seien auf der Grundlage von § 6 des Arbeitsvertrages schlüssig vorgetragen und nicht bestritten worden. Dagegen seien die Ansprüche auf Reisekosten und Spesen für Oktober 2009 weder dem Grunde noch der Höhe nach schlüssig vorgetragen. Das gleiche gelte hinsichtlich der geltend gemachten Überstundenvergütung. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für sieben Tage Resturlaub aus dem Jahr 2009 bestehe nicht, weil dem Kläger, der nach eigenen Angaben Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bezogen habe, aufgrund von § 115 SGB X die Sachlegitimation fehle. Die entstandenen Zahlungsansprüche des Klägers seien nicht durch Aufrechnung erloschen. Die Aufrechnung gegen Bruttoentgeltansprüche sei gemäß § 394 BGB unzulässig. Die Aufrechnung gegen Nettolohnforderungen seien zwar in den Grenzen der §§ 850 ff. ZPO zulässig. Dazu sei jedoch nichts vorgetragen. Eine ausnahmsweise Aufrechnung auch in pfändungsgeschützte Ansprüche bei vorsätzlicher Schädigung scheide aus, weil eine vorsätzliche Schadenszufügung durch den Kläger nicht erkennbar sei, abgesehen davon, dass nicht vorgetragen sei, inwieweit der andere Mitarbeiter der Beklagten weisungsbefugt gewesen sei; auch reiche die Nichtbefolgung einer Weisung nicht für eine Abweichung vom Aufrechnungsverbot aus.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 26.07.2010 zugestellte Endurteil vom 30.06.2010 mit einem am 28.07.2010 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 10.08.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt, ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach der Kläger offensichtlich versucht habe, an einer Stelle noch Löcher zu bohren, die zu bohren ihm vom für die Baustelle verantwortlichen Mitarbeiter ausdrücklich verboten worden sei. Sie meint, entweder sei der Sachvortrag der Beklagten als unstreitig zugrunde zu legen oder die Gegenforderungen der Beklagten hätten berücksichtigt werden müssen. Sie habe die Ursächlichkeit des Fehlverhaltens des Klägers für den Schadenseintritt ausreichend dargelegt. Der gegenüber der Behörde als Verantwortlicher für diese Baustelle bezeichnete Mitarbeiter sei aufgrund dieser Benennung gegenüber dem Kläger weisungsbefugt gewesen. Die Beklagte betont erneut, der Kläger habe das Umkippen billigend in Kauf genommen. Eine Anweisung des Geschäftsführers, genau an dieser Stelle noch Bohrlöcher zu setzen, habe es entgegen dem Vortrag des Klägers nicht gegeben. Der Vortrag des Klägers, Ursache des Kippens sei nicht die starke Neigung des Geländes, sondern eine mit Erde bedeckte, nicht sichtbare Felskante gewesen, sei unzutreffend. Weil der Kläger vorsätzlich den Schaden herbeigeführt habe, sei die Aufrechnung gemäß § 394 BGB und § 850 f. Abs. 2 ZPO in vollem Umfang auch gegen Nettoentgeltansprüche zulässig. Zu den geltend gemachten Reisekosten fehle es an einem ausreichenden Vortrag des Klägers.

Die Beklagte beantragt im Rahmen ihrer Berufung,

das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.06.2010 - 5 Ca 17002/09 - abzuändern, soweit es dem Kläger Nettobeträge zuerkannt hat, und die Klage insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, soweit ihm durch dieses die geltend gemachten Ansprüche auf Lohn für September und Oktober 2009 und auf Reisekosten/Spesen für Juli bis September 2009 zugesprochen wurden, und verteidigt die Annahme des Erstgerichts, diese Ansprüche seien nicht durch Aufrechnung erloschen. Der Kläger meint, die Schadensersatzforderung der Beklagten bestehe weder dem Grunde noch der Höhe nach. Ein Vorsatz des Klägers hinsichtlich des Schadenseintritts werde bestritten. Er habe den Schaden auch nicht billigend in Kauf genommen. Die von der Beklagten behauptete Weisungsbefugnis des als Sprengverantwortlicher benannten Mitarbeiters sei nach wie vor offen. Der Unfall sei lediglich aufgrund einer Weisung des Geschäftsführers der Beklagten eingetreten. Der als Sprengverantwortlicher benannte Mitarbeiter sei, als er dem Kläger den Hinweis erteilt haben wolle, überhaupt nicht vor Ort gewesen. Anwesend seien nur der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten gewesen, wobei der Geschäftsführer die Anweisung erteilt habe, die zwei Bohrlöcher an der bezeichneten Stelle zu bohren. Ursache des Kippens sei nicht die zu starke Neigung des Hangs, sondern eine mit Erde bedeckte, nicht sichtbare Felskante gewesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 23.07.2010 zugestellte Endurteil vom 30.06.2010 mit einem am 23.08.2010 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt.

Ausführungen hierzu - insbesondere zu den vom Arbeitsgericht nicht zuerkannten Ansprüchen auf Reisekosten und Überstundenvergütung - enthält erstmals im Berufungsverfahren der Schriftsatz des Klägers vom 10.02.2011.

Nachdem der Kläger hinsichtlich der vom ihm eingelegten Berufung schriftsätzlich keinen Antrag angekündigt hat, hat er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 03.03.2011 erklärt, er nehme die Klage in Bezug auf diejenigen Streitgegenstände zurück, hinsichtlich derer das Arbeitsgericht im Endurteil vom 30.06.2010 die Klage abgewiesen habe.

Die Beklagte hat in der genannten mündlichen Verhandlung erklärt, sie stimme der Klagerücknahme nicht zu.

Die Beklagte meint, der Vortrag des Klägers zu den geltend gemachten Reisekosten sei unsubstantiiert. Zu den Überstunden trage er trotz entsprechenden Hinweises bereits in erster Instanz überhaupt nichts vor. Die Übertragung der vom Kläger vorgelegten Stundennachweise in „Schönschrift“ im Büro der Beklagten seien nicht als Anerkenntnis zu sehen. Vorsorglich werde mit Nichtwissen bestritten, dass die geltend gemachten Überstunden angefallen, geschweige denn angeordnet worden seien, ferner, dass es nur möglich gewesen sein solle, die dem Kläger zugewiesenen Arbeiten unter Ableistung von Überstunden zu bewältigen.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 06.08.2010, 24.09.2010 und 28.02.2011, des Klägers vom 23.08.2010, 13.09.2010 und 10.02.2011 verwiesen, ferner auf die Sitzungsniederschrift vom 13.03.2011.


Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist bereits unzulässig und daher zu verwerfen.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet und somit zurückzuweisen.


I.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig.

Da die teilweise Klagezurücknahme in Bezug auf diejenigen Streitgegenstände, bei denen der Kläger im ersten Rechtszug keinen Erfolg hatte, daran scheitert, dass die Beklagte ihre nach § 269 Abs. 1 ZPO erforderliche Einwilligung versagt hat, war über die Berufung des Klägers trotz der Teil-Klagezurücknahme zu entscheiden.

Der Kläger hat bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 23.09.2010 keinerlei schriftsätzliche Ausführungen dazu vorgelegt, in welchem Umfang das Endurteil vom 30.06.2010 angefochten werden solle (§ 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), inwiefern das Endurteil auf Rechtsfehlern beruhe (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) und inwiefern es sich auf eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung gründe (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). Der Schriftsatz vom 13.09.2010 befasst sich ausschließlich mit der Beantwortung der Berufung der Beklagten, nicht aber mit der Begründung der eigenen Berufung des Klägers. Diese Berufung wird erstmals im Schriftsatz vom 10.02.2011 ab Seite 4 - und nicht einmal vollständig, das heißt hinsichtlich aller im Endurteil des Arbeitsgerichts aberkannter Ansprüche (Urlaubsabgeltungsanspruch) - begründet.

Damit ist die Berufung des Klägers nicht in der gesetzlichen Frist begründet worden. Sie ist daher nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i. V. m. § 522 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO, § 520 Abs. 3 ZPO als unzulässig zu verwerfen.


II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1. Nach wie vor gilt, dass - wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat - die Ansprüche des Klägers auf Vergütung für September und Oktober 2009 schlüssig dargelegt sind.

Dies ergibt sich bereits aus der von der Beklagten selbst gefertigten Lohnabrechnung für September 2009 und aus dem von der Beklagten erstellten Nachweis über gezahltes Arbeitsentgelt für die Bundesagentur für Arbeit vom 09.10.2009, in dem die vom Kläger geltend gemachte Oktobervergütung aufgelistet ist.

Nach wie vor gilt, dass der Anspruch auf die geltend gemachte Reisekostenerstattung, soweit er vom Arbeitsgericht zuerkannt wurde, schlüssig dargelegt ist. Der Vortrag der Beklagten zu den Reisekosten bzw. Spesen im Schriftsatz vom 28.02.2011 (Seite 3) befasst sich nicht mit den zuerkannten Ansprüchen, sondern mit den Aufwendungsersatzansprüchen des Klägers für die Zeit vom 01. bis 07.10.2009.

2. Nach wie vor gilt, dass die dem Kläger vom Arbeitsgericht zuerkannten Ansprüche nicht durch Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. BGB, 389 BGB erloschen sind.

a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass eine Aufrechnung gegen Bruttoentgeltforderungen gegen § 394 BGB verstößt und damit unwirksam ist.

Denn die Aufrechnung kann nicht bewirken, dass der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen entledigt wird.

b) Zu Recht hat das Arbeitsgericht aber auch angenommen, dass die von der Beklagten erklärte Aufrechnung auch nicht dazu führt, dass die Ansprüche des Klägers auf Nettovergütung erloschen sind.

Dies gilt selbst dann, wenn man von einem vom Kläger verursachten Schaden der Beklagten in geltend gemachter Höhe ausgeht.

aa) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Aufrechnung gegen Spesenansprüche des Klägers an § 850a Nr. 2 ZPO scheitert.

Danach sind Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigung (…) unpfändbar mit der Folge, dass eine Aufrechnung gegen diese Ansprüche gemäß § 394 BGB ausgeschlossen ist.

bb) Zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass eine Aufrechnung zwar gegen die pfändbaren Teile der Nettolohnansprüche zulässig wäre, eine Entscheidung hierüber aber mangels jeglichen Vortrags der Beklagten hierzu ausscheidet.

Auch im Berufungsverfahren hat die Beklagte sich hierzu nicht eingelassen, vielmehr ausdrücklich auf der Aufrechnung gegen Bruttolohnansprüche beharrt.

cc) Die Aufrechnung gegen die unpfändbaren Teile der Nettoentgeltansprüche des Klägers - die nach Auffassung der Beklagten offenbar dazu führen soll, dass dieser keinerlei Entgeltansprüche mehr (netto) hat - scheitert an § 394 BGB i. V. m. § 850c ZPO, sowie daran, dass es an einer vorsätzlichen Schädigung der Beklagten durch den Kläger fehlt.

Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend gesehen.

Aus dem Vortrag der Beklagten, selbst wenn er als wahr unterstellt wird, ergibt sich keine Schädigungsabsicht des Klägers. Dagegen spricht zum einen schon massiv, dass sich der Kläger selbst in dem fahrbaren Bohrgerät befunden hat und im Falle eines Umkippens wegen der Neigung des Hangs mit einer - gegebenenfalls erheblichen - Verletzung der eigenen Person rechnen musste. So hätte es leicht zu einem tödlichen Ausgang des Unfalls kommen können, wenn beispielsweise der Kläger beim Umkippen des mobilen Bohrgeräts unter dieses zu liegen gekommen wäre. Schon diese Überlegung schließt es nach Auffassung der Berufungskammer aus, dass der Kläger das Umstürzen - und damit eine Schädigung der Beklagten - billigend in Kauf genommen haben könnte. Vielmehr lässt diese Überlegung allein den Schluss zu, dass der Kläger nicht mit einem Umstürzen rechnete bzw. jedenfalls darauf vertraute, das Gerät werde nicht kippen. Nicht zuletzt ist die Beklagte selbst laut der streitgegenständlichen Kündigung von einem fahrlässigen Verhalten des Klägers ausgegangen.

Abgesehen davon folgt aus der von der Beklagten gegebenen Schilderung des Disputs zwischen dem Kläger und dem als sprengverantwortliche Person von der Beklagten benannten Mitarbeiter über das Setzen zweier zusätzlicher Bohrlöcher, dass der Kläger mit seiner Absicht, diese Bohrlöcher anzubringen, nicht eine Schädigung der Beklagten bezweckte, sondern seine abweichende fachliche Auffassung durchsetzen wollte. Diese Auseinandersetzung belegt keinesfalls eine Schädigungsabsicht, sondern allenfalls eine Neigung des Klägers, seine eigene Fachkompetenz zu überschätzen und sich Anweisungen seines Arbeitgebers zu widersetzen. Damit läge zwar eine Pflichtverletzung des Klägers vor, aber noch lange nicht eine vorsätzliche Schadenszufügung (vgl. zum Ganzen z. B. ErfK/Preis, 11. Aufl., § 611 BGB, Rn. 451).

Ob der Kläger mit seinem Verhalten gegen eine ausdrückliche Weisung eines Vorgesetzten verstoßen hat oder ob er gar auch ohne eine solche Weisung hätte erkennen müssen, dass das fahrbare Bohrgerät umkippen müsste, kann nach allem dahinstehen. Es bleibt dabei, dass die Aufrechnung in die unpfändbaren Teile des Nettoentgelts des Klägers an § 294 BGB i. V. m. § 850c ZPO scheitert.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.


IV.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Dr. Rosenfelder Römelt Hegedüsch
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