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Text des Urteils
10 Sa 1004/10;
Verkündet am: 
 25.02.2011
LAG Landesarbeitsgericht
 

München
Vorinstanzen:
10 Ca 1520/07 D
Arbeitsgericht
Augsburg;
Rechtskräftig: unbekannt!
Eingruppierung Oberarzt
Leitsatz des Gerichts:
TV-Ärzte/VKA: §§ 15, 16

1. Werden unfallchirurgische Patienten in einem Krankenhaus auch außerhalb einer unfallchirurgischen Station und selbst auf dieser Station nicht alle Patienten durch den Oberarzt verantwortlich betreut, fehlt es für die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA an einer Übertragung der medizinischen Verantwortung.

2. Eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber gemäß Protokollerklärung zu § 16 c TV-Ärzte/VKA liegt nur vor, wenn eine entsprechende Anordnung mit ausdrücklicher Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle erfolgt ist.
In dem Rechtsstreit
Privatdozent Dr. med. A.
A-Straße, A-Stadt
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Assessoren B.
B-Straße, B-Stadt

gegen
Kreiskliniken A-Stadt-Wertingen gGmbH,
C-Straße, A-Stadt
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. D.
D-Straße, D-Stadt

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2011 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Moeller und die ehrenamtlichen Richter Lauer und Jonietz für Recht erkannt:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 04.08.2010 (Az.: 10 Ca 1520/07 D) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers als Oberarzt in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus.

Der 1949 geborene Kläger ist Mitglied des Marburger Bundes und verfügt über eine Facharztanerkennung als Chirurg und Unfallchirurg. Er ist seit 01.05.1991 in dem zunächst von dem Provinzialat der Franziskanerinnen, später von dem Landkreis A-Stadt an der Donau und nunmehr von der Beklagten betriebenen Krankenhaus als Oberarzt in der chirurgischen Abteilung beschäftigt. Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses ist dabei zuletzt ein von dem Rechtsvorgänger der Beklagten mit dem Kläger am 26.12.2002 geschlossener schriftlicher Arbeitsvertrag (Bl. 9 bis 10 d. A.), in dem u.a. folgendes bestimmt ist:

§ 1

Herr Dr. med. A. wird ab 01.01.2003 als vollbeschäftigter Oberarzt in der Abteilung Chirurgie mit durchschnittlich 38,50 Stunden in der Woche eingestellt. Der Arbeitsvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.

. . .

§ 4

Der Mitarbeiter ist in der Vergütungsgruppe 1 der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert (§ 22 Abs. 3 BAT).

. . .


In einer Mitarbeiterinformation vom 20.10.2005 (Bl. 17 d. A.) gab der Geschäftsführer der Beklagten bekannt, dass die Zuständigkeiten in der unfallchirurgischen Abteilung wie folgt aufgeteilt werden:

1. Kommissarischer Leiter der unfallchirurgischen Abteilung ist Herr Oberarzt Dr. E.

2. Zuständig für Arbeitsunfälle und das BG-Verfahren ist Herr Oberarzt Dr. A.


Mit Schreiben vom 07.02.2006 (Bl. 57 d. A.) wurde der Kläger zum stellvertretenden Strahlenschutzbeauftragten ernannt. Außerdem heißt es in diesem Schreiben:

Ab 01.03.2006 ist Ihr neuer Zuständigkeitsbereich die chirurgische Abteilung, die Station IIII und die Notaufnahme.

Der Kläger bezieht derzeit Vergütung gemäß der Entgeltgruppe II Stufe 5 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (im Folgenden: TV-Ärzte/VKA).

Mit Schreiben vom 11.01.2007 (Bl. 11 d. A.) machte der Kläger eine Eingruppierung und entsprechende Gehaltszahlung nach der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA geltend. Die Beklagte lehnte diese Forderung mit Schreiben vom 19.01.2007 ab.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe ab 01.08.2006 Vergütung gemäß der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Denn er sei als Oberarzt bei der Beklagten beschäftigt und sei verantwortlicher Arzt für eine Reihe von Teilbereichen der unfallchirurgischen Abteilung. Dort bilde die Behandlung von Arbeitsunfällen einen Schwerpunkt. Durch das Schreiben vom 20.10.2005 sei dem Kläger ausdrücklich die Zuständigkeit für die Arbeitsunfälle und das BG–Verfahren übertragen worden. Darüber hinaus seien ihm folgende Aufgaben zugeordnet:

- Fester Stationsbereich, die Zimmer 177-184 der unfallchirurgischen Station 4 als Oberaufsicht,

- Notambulanz, Kontrolle der Befunde aus dem Bereitschaftsdienst und ggf. Information der Hausärzte,

- Beantwortung von Anfragen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MdK),

- eigenständige Verantwortung für die Behandlung unfallchirurgischer Patienten auf der Intensivstation.


Die dem Kläger übertragene Station IV wie die Notaufnahme verfügten über eine eigene räumliche und personelle Ausstattung und seien damit organisatorische selbst- und eigenständige Bereiche, für die dem Kläger die medizinische Verantwortung übertragen sei. Im Krankenhaus gebe es noch zwei weitere Bereiche, in denen unfallchirurgische Patienten behandelt werden. Auch bei der Beantwortung von Anfragen des MdK handle es sich um einen Teilbereich. Zudem sei der Kläger der DRG-Verantwortliche für die Abteilung Chirurgie I. Auch in der interdisziplinären Intensivstation sei dem Kläger medizinische Verantwortung durch den Chefarzt übertragen worden. Dem Kläger seien drei Fachärzte für Chirurgie unterstellt. Schließlich sei dem Kläger auch die medizinische Verantwortung ausdrücklich übertragen worden. Jedenfalls stehe dem Kläger nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung die Eingruppierung in die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Denn die Beklagte habe den Oberarzt Dr. F., der die Verantwortung für unfallchirurgische Patienten auf anderen Stationen der Beklagten habe, zum 15.04.2007 in die Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA eingruppiert.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 1. August 2006 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III (Oberärztin/Oberarzt) gem. § 16 c des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dem Kläger stehe keine höhere Vergütung gemäß Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Dem Kläger sei bereits kein selbständiger Teil- oder Funktionsbereich übertragen worden. Die Zimmer 177-184 der unfallchirurgischen Station IV stellten keinen derartigen Bereich dar. Dies gelte auch für die Notfallambulanz und die Beantwortung von Anfragen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen. In der Notfallambulanz seien drei Fachärzte tätig, die sich im Dienst abwechseln. Dabei handle es sich um eine interdisziplinäre Einrichtung, in der dem Kläger keine übergreifenden Verantwortlichkeiten übertragen worden seien. Der Kläger nehme nur Normalaufgaben eines Facharztes wahr. Ihm sei auch nicht die medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich übertragen worden. Keinerlei Verantwortung trage der Kläger insbesondere bei der Behandlung unfallchirurgischer Patienten auf der Intensivstation. Das Schreiben vom 07.02.2006 beziehe sich nur auf den Zuständigkeitsbereich des Strahlenschutzbeauftragten. Die fachliche und organisatorische Verantwortung für das Fachgebiet Unfallchirurgie sei allein dem Chefarzt übertragen. Schließlich fehle es an einer ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung. Die Zuständigkeit für das BG-Verfahren gemäß Schreiben vom 20.10.2005 sei dem Kläger ohnehin nur während der Abwesenheit des Chefarztes der Unfallchirurgie vom 18.10.2005 bis 08.01.2006 übertragen worden. Dafür habe der Kläger eine gesonderte monatliche Zulage erhalten. Dem Kläger seien auch nicht drei Fachärzte unterstellt. Der Kläger könne auch nichts aus der Eingruppierung des Oberarztes Dr. F. für sich herleiten. Dieser sei als ständiger Vertreter des Chefarztes eingestellt worden und daher in Entgeltgruppe IV einzugruppieren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Tätigkeit des Klägers die Voraussetzungen für die Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA nicht erfülle.

Soweit es um die Station IV gehe, fehle es an der alleinigen medizinischen Verantwortung des Klägers für die Behandlung der Patienten. Dies gelte auch für die Behandlung unfallchirurgischer Patienten der Notaufnahme. Bei Tätigkeiten auf der Intensivstation trage der Oberarzt Dr. G. für alle Patienten die letzte Verantwortung.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 08.09.2010 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 06.10.2010 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und sein Rechtsmittel durch einen am 05.11.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor, die Station IV, für die der Kläger die medizinische Verantwortung trage, sei ein selbständiger Teilbereich. Sie sei eine organisatorisch abgrenzbare Einheit, der eine bestimmte Aufgabe mit eigener Zielsetzung sowie eigener medizinischer Verantwortlichkeit zugewiesen sei und die über eine eigene räumliche, personelle und sachlich-technische Ausstattung verfüge. Denn auf der Station werde ein Teil der Patienten der Unfallchirurgie behandelt. Ein beträchtlicher Teil werde ambulant auf einer anderen Station operiert. Dabei handle es sich auch um unfallchirurgische Patienten, für die dem Kläger allerdings keine Zuständigkeit zugewiesen worden sei. Bei nicht ausreichender Bettenzahl würden zudem unfallchirurgische Patienten auch auf anderen Stationen untergebracht. Diese würden von anderen Ärzten der Unfallchirurgie betreut, so dass sich der Verantwortungsbereich des Klägers auf die Station IV beschränke, deren Selbständigkeit sich bereits aus einem Organigramm der Beklagten (Bl. 58 d. A.) ergebe. Für diese Station trage der Kläger auch die medizinische Verantwortung. Dabei handle es sich um eine Alleinverantwortung, da dem Chefarzt und dessen ständigen Vertreter nur eine Letztverantwortung zukomme. Dabei sei dem Kläger auf der Station IV auch mindestens ein Facharzt unterstellt. Der Teilbereich sei dem Kläger auch ausdrücklich übertragen worden. Dies folge schon aus dem Schreiben vom 07.02.2006 und einer Dienstanweisung vom 01.07.2004 (Bl. 59 d. A.). Zudem liege eine Übertragung auch vor, wenn sie eindeutig dem Willen des Arbeitgebers entspreche. Dies sei der Fall, wenn die Beklagte die Wahrnehmung der medizinischen Verantwortung billigte. Schließlich mache die Tätigkeit des Klägers auf der Station IV auch mehr als die Hälfte seiner Gesamttätigkeit aus. Ein Anspruch des Klägers auf Höhergruppierung ergebe sich auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn die Beklagte habe den Oberarzt Dr. F. bereits vor Übertragung der ständigen Vertretung des Chefarztes höhergruppiert.

Der Kläger beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 04.08.2010 (Az.: 10 Ca 1520/07 D) wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 1. August 2006 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III (Oberärztin/Oberarzt) gem. § 16 c des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, für einen Anspruch des Klägers fehle es bereits am Vorliegen eines Funktions- oder Teilbereichs. Die Station IV verfüge zwar über eine eigene räumliche, personelle und sachliche Ausstattung. Bis Ende Februar 2009 seien dort jedoch auch urologische Patienten versorgt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt seien dort 24 unfallchirurgische und 8 urologische Betten eingerichtet gewesen, seit 01.03.2009 nur noch 24 Unfallchirurgische. Diese seien in 10 Zimmern mit je 2 Betten und einem Zimmer mit 4 Betten eingerichtet. Dem Kläger seien 4 Zweitbettzimmer und das Vierbettzimmer zugeordnet. Den Rest betreue der Oberarzt Dr. F.. Für das ambulante Operieren und die BG-Ambulanz trage der Kläger ohnehin keine Verantwortung. Dies gelte auch für die ausgelagerten Patienten der Unfallchirurgie. Auf der Station IV reiche die Tätigkeit des Klägers nicht über die eines Facharztes hinaus. An einer ungeteilten medizinischen Verantwortung fehle es bereits aufgrund der Tätigkeit des Chefarztes und des Oberarztes Dr. F.. Letzterer habe die gleichen Aufgaben wie der Kläger wahrzunehmen. Ihm seien die Zimmernummern 169 bis 174 zugewiesen. Im Organigramm sei nur deshalb der Kläger allein genannt, weil zum Zeitpunkt dessen Anfertigung bereits bekannt war, dass der bisher ebenfalls tätige Oberarzt ausscheide und ein Nachfolger noch nicht ernannt war. Auf der Station IV sei nur ein Facharzt tätig. Dieser sei jedoch neben dem Kläger auch dem Chefarzt Dr. F. unterstellt. Schließlich fehle es an einer ausdrücklichen Übertragung der Tätigkeit. Eine Billigung genüge nicht und liege auch nicht vor. Zudem mache die Beschäftigung des Klägers auf der Station IV weniger als die Hälfte der Tätigkeit des Klägers aus. Eine Vergleichbarkeit mit Herrn Dr. F. liege nicht vor. Dieser falle als ständiger Vertreter des Chefarztes unter die Entgeltgruppe IV des TV-Ärzte/VKA und sei nur während der sechsmonatigen Erprobung nach der Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA bezahlt worden.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wir auf die Schriftsätze des Klägers vom 04.11.2010 (Bl. 207 bis 214 d. A.), der Beklagten vom 08.12.2010 (Bl. 244 bis 252 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 25.02.2011 (Bl. 261 bis 263 d. A.) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.


II.

Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Bezahlung einer Vergütung gemäß Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA ab 1. August 2006 zu.

1. Zu Recht ist das Arbeitsgericht – allerdings ohne Begründung – davon ausgegangen, dass die Klage zulässig ist.

a) Denn der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, ob seine Tätigkeit der von ihm geltend gemachten Vergütungsgruppe entspricht und ihm deshalb die dieser Vergütungsgruppe entsprechende Vergütung zusteht (§ 256 Abs. 1 ZPO).

Insoweit handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die innerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. BAG vom 16.04.1997 – AP Nr. 225 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 203 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 4 zu § 12 AVR Caritasverband). Auch für privatrechtlich verfasste Unternehmen und die Privatwirtschaft ist dies seit langem anerkannt (vgl. BAG vom 20.04.1988 – AP Nr. 93 zu § 1 TVG „Tarifverträge: Bau“; BAG vom 04.08.1993 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG „Tarifverträge: Einzelhandel“; BAG vom 21.06.2000 – AP Nr. 7 zu § 20 BMT–G II).

b) Zulässig ist die Klage auch, soweit sich der Antrag hinsichtlich der Vergütung auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum bezieht, für den der Kläger nicht gehindert wäre, eine entsprechende Leistungsklage zu erheben, was regelmäßig einer Feststellungsklage entgegensteht (vgl. BAG vom 07.12.2005 – AP Nr. 4 zu § 12 TzBfG; BAG vom 18.11.2003 – AP Nr. 162 zu § 112 BetrVG 1972).

Handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, steht deren Zulässigkeit nicht entgegen, dass sich diese auf einen vergangenen Zeitraum erstreckt (vgl. BAG vom 24.11.1993 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; BAG vom 20.10.1993 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dem Kläger steht ab 01.08.2006 keine Vergütung gemäß Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA zu.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften des TV-Ärzte/VKA vom 17.08.2006 Anwendung.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die arbeitsvertragliche Verweisung auch den o. g. Tarifvertrag erfasst. Ob zudem die Beklagte Mitglied der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände in Bayern ist und damit die Regelungen des Tarifvertrags aufgrund der Tarifbindung beider Parteien Anwendung finden (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG), kann daher offenbleiben.

b) Für das Klagebegehren ist daher von folgenden Bestimmungen auszugehen:


TV-Ärzte/VKA

. . .

ABSCHNITT III

Eingruppierung und Entgelt

§ 15

Allgemeine Eingruppierungsregelungen


(1) Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin/Der Arzt erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

(2) Die Ärztin/Der Arzt ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. . . .

Protokollerklärungen zu § 15 Abs. 2

1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (. . .), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (. . .). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

. . .

(3) . . .

§ 16

Eingruppierung

Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:

a) Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit.

b) Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit

. . .

c) Entgeltgruppe III: Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu Buchst. c:

Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die Medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder Funktions-Bereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

d) Entgeltgruppe IV:

. . .

. . .

§ 18

Tabellenentgelt

(1) Die Ärztin/Der Arzt erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für die/ihn geltenden Stufe.

. . .

Niederschriftserklärung:

Zu § 6 Abs. 2:

Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung „Oberärztin/Oberarzt“ führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden.


c) Danach ist für die Feststellung der zutreffenden Vergütung des Klägers zunächst von § 15 Abs. 2 Satz 1 TV-Ärzte/VKA auszugehen.

Die Eingruppierung der Ärzte richtet sich damit nach der nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit.

aa) Gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte/VKA entspricht die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmales oder mehrere Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.

Aufgrund wortgleicher Formulierung und identischer Tarifvertragsparteien ist damit durch die Regelung der in § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT vorgegebener Rechtsbegriff heranzuziehen. Nachdem von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs ist dieser als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu wertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen. Dabei ist zwar rechtlich möglich, dass die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden (vgl. BAG vom 30.01.1985 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG vom 20.10.1993 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Zur Tätigkeit rechnen dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten bei der tariflichen Wertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheit nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die unter Berücksichtigung der Zusammenhangstätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führende Tätigkeiten müssen tatsächlich von der übrigen Tätigkeit des Angestellten abgrenzbar und rechtlich selbständig bewertbar sein (vgl. BAG vom 22.09.2010 – 4 AZR 149/09 Rn. 17).

bb) Danach erscheint zwar naheliegend, die Tätigkeit des Klägers als Oberarzt in der Versorgung der Patienten wie bei pflegerischen Betreuungsleistungen üblich als einen einzigen Arbeitsvorgang anzusehen (vgl. BAG vom 26.10.1994 – AP Nr. 187 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Dies kann aber dahinstehen. Denn auch wenn von mehreren Arbeitsvorgängen ausgegangen wird, ist zwar nach dem Sachvortrag der Parteien streitig, welche Zeitanteile den verschiedenen Arbeitsvorgängen zuzuordnen wäre. Jedenfalls stimmen beide Parteien aber darin überein, dass ein – mehr oder minder großer – Arbeitsvorgang in der Tätigkeit des Klägers als Oberarzt der Station IV besteht. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, dieser fülle den weit überwiegenden Teil seiner Gesamttätigkeit aus, besteht der von ihm verfolgte Höhergruppierungsanspruch nicht.

d) Denn die Eingruppierung des Klägers als Oberarzt in die Entgeltgruppe III TV-Ärzte/VKA setzt danach voraus, dass ihm vom Arbeitgeber die medizinische Verantwortung für die Tätigkeit auf der Station IV ausdrücklich übertragen worden ist und dieser Bereich als selbständiger Teil- oder Funktionsbereich der Klinik bzw. Abteilung im tarifvertraglichen Sinn anzusehen ist.

Dies ist nicht der Fall.

aa) Davon, dass die Station IV des Krankenhauses nicht als Funktionsbereich der Klinik anzusehen ist, geht offenbar auch der Kläger nunmehr aus.

Denn in der Berufungsbegründung wird darauf nicht näher eingegangen. Dies erscheint auch sinnvoll. Denn der Begriff „Funktionsbereich“ wurde bereits in der früheren Regelung des Tarifvertrags zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT vom 23.02.1972 für Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Zahnärzte verwendet. Gemäß Protokollerklärung Nr. 3 zum Tarifvertrag zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 zum BAT sind Funktionsbereiche wissenschaftlich anerkannte Teilgebiete innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets, z. B. Nephrologie, Handchirurgie, Neuroradiologie, Elektroenzephalografie, Herzkatheterisierung usw.. An diesem Begriff sollte für den TV-Ärzte festgehalten werden (vgl. Knörr ZTR 2009, 50, 51 m.w.N.). Haben die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte diesen Begriff unverändert übernommen, ist davon auszugehen, dass dessen frühere Bedeutung weiter gilt (vgl. LAG Düsseldorf ZTR 2009, 23; LAG München vom 26.08.2008 – 4 Sa 328/08). Die erkennende Kammer hat sich dem bereits in der Entscheidung vom 22.04.2009 (10 Sa 300/08) angeschlossen. Auch das Bundesarbeitsgericht vertritt diese Auffassung (Urteil vom 09.12.2009 – 4 AZR 568/08). Die Station IV des Krankenhauses stellt danach keinen Funktionsbereich dar.

bb) Möglich erscheint allerdings, dass die Station IV einen selbständigen Teilbereich der Klinik darstellt.

(1) Ein Teilbereich der Klinik bzw. Abteilung ist eine fachliche Untergliederung innerhalb eines ärztlichen Fachgebiets, bei der es sich gleichzeitig um eine abgegrenzte Organisationseinheit mit eigener Aufgabenstellung handelt, die auch über eine räumliche, personelle und technische Ausstattung verfügt (vgl. etwa: Bruns ArztR 2007, 60; Wahlers PersV 2008, 204; Anton ZTR 2008, 184). Ein Teilbereich muss nicht notwendig – wie ein Funktionsbereich – einem speziellen ärztlichem Fachgebiet zugeordnet sein; der Begriff weist wie derjenige der Klinik oder der Abteilung keinen Bezug zur fachlichen Spezialisierung auf, auch wenn ein solcher in der Praxis häufig gegeben sein dürfte. Die Anforderung einer gewissen organisatorischen Verselbständigung wird in der Regel einerseits durch eine zumindest auf einen nicht unerheblichen Zeitraum, zumeist jedoch auf unbestimmte Dauer ausgerichtete Ausstattung mit eigenem nichtärztlichen und ärztlichen Personal erfüllt. Es muss sich um eine Organisationseinheit handeln, der eine eigenständige Verantwortungsstruktur zugewiesen werden kann und zugewiesen worden ist. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein solcher Teilbereich im tariflichen Sinne über eine bestimmte Mindestgröße verfügen muss und nicht auf der untersten organisatorischen Hierarchieebene angesiedelt sein kann (vgl. BAG vom 22.09.2010 – 4 AZR 149/09 – Rn. 27).

(2) Ob damit die Station IV einen Teilbereich darstellt, erscheint offen. Immerhin trägt auch die Beklagte vor, dass die Station über eine eigene räumliche, personelle und sachliche Ausstattung verfügt. Andererseits spricht gegen eine organisatorisch abgrenzbare Einheit, dass nicht alle Patienten der Unfallchirurgie auf dieser Station behandelt werden sondern eine erhebliche Anzahl von Patienten auf der Station VI ambulant operiert wird und auch bei nichtausreichender Bettenzahl stationäre Patienten in der Station III bzw. der Orthopädie aufgenommen werden und alle diese Patienten nicht in den Verantwortungsbereich des Klägers fallen.

cc) Selbst wenn danach aber von einem Teilbereich i.S.d. Vergütungsgruppe III TV-Ärzte/VKA auszugehen wäre, ist dem Kläger dafür jedenfalls die medizinische Verantwortung nicht ausdrücklich durch den Arbeitgeber übertragen worden.

(1) Die Beklagte hat – vom Kläger unwidersprochen – vorgetragen, dass die Station IV bis Ende Februar 2009 aus 32 Betten bestand, wovon 8 Betten nicht unfallchirurgischen Patienten vorbehalten waren. Seit 01.03.2009 besteht die Station IV aus 24 Betten in 11 Zimmern, von denen 6 Zweibettzimmer dem leitenden Oberarzt Dr. F. zugeordnet sind. Dann fehlt es an der Übertragung der medizinischen Verantwortung.

(a) Die Kammer hat bereits in ihrer Entscheidung vom 22.04.2009 ausgeführt, dass die Tarifvertragsparteien durch das zusätzliche Erfordernis der medizinischen Verantwortung für die Ausübung der Tätigkeit eines Oberarztes i.S.d. Entgeltgruppe III der TV-Ärzte zum Ausdruck gebracht haben, dass die dem Oberarzt obliegende Verantwortung sich in einem feststellbaren und gewichtigem Umfang von der Tätigkeit eines Facharztes abhebt.

(aa) Dies setzt voraus, dass der Oberarzt nicht nur die Verantwortung für das von ihm geschuldete ärztliche Handeln eines Arztes mit abgeschlossener Facharztausbildung übernehmen muss, sondern auch für das Handeln der ihm nachgeordneten Assistenz- und Fachärzte sowie des Pflegepersonals. Das tarifliche Heraushebungsmerkmal der medizinischen Verantwortung ist dahingehend zu verstehen, dass der Oberarzt die Behandlung und Therapie der Patienten auch für die ihm nachgeordneten Assistenz- und Fachärzte und das in „seinem“ Teilbereich tätige Pflegepersonal bindend festlegt, deren Befundungen kontrolliert und Therapiemaßnahmen überwacht. Die medizinische Verantwortung kann im tariflichen Sinne nur als Leitungsverantwortung verstanden werden. Das heißt, dass der Arzt für den ihm unterstellten Bereich auch gegenüber anderen Ärzten und dem Pflegepersonal eine Vorgesetztenfunktion ausübt, er mithin eine Leitungsfunktion innehat (vgl. LAG Schleswig-Holstein ZTR 2009, 255; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 13.08.2008 – 2 Sa 329/07).

(bb) Die medizinische Verantwortung muss sich daher auf den gesamten Bereich der Patientenbehandlung in dem betreffenden Fachbereich erstrecken. Nicht ausreichend ist eine lediglich organisatorische Verantwortung oder das Wahrnehmen von Verwaltungsaufgaben. Durch den Zusatz „medizinisch“ sollte klargestellt werden, dass die Verantwortung im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten übertragen worden ist. Der Begriff „medizinisch“ belegt, dass irgendeine Verantwortung nicht genügt. Eine medizinische Verantwortung für den Teil- oder Funktionsbereich kann daher nur dann vorliegen, wenn sowohl eine Aufsichtfunktion für Ärzte wie nichtärztliches Personal vorliegt (vgl. LAG Schleswig-Holstein – a.a.O.) und zudem der Oberarzt die medizinische Verantwortung gegenüber den Patienten für fremdes fachärztliches Handeln trägt (vgl. Nachweise bei Knörr ZTR 2009, 50, 53 Fn. 34). Ein entsprechendes Maß der medizinischen Verantwortung wird nur dann getragen, wenn Aufsichts- und Weisungsbefugnisse gegenüber nachgeordneten Fachärzten oder Dritten bestehen, denen ihrerseits für ihr jeweiliges Handeln im konkreten Einzelfall die ärztliche Verantwortung obliegt (vgl. LAG München vom 22.04.2009 – 10 Sa 300/08; Wahlers PersV 2008, 205).

(b) Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, dass das Tätigkeitsmerkmal nur dann erfüllt werden kann, wenn dem Oberarzt eine Aufsichts- und – teilweise eingeschränktes – Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen Personals zugewiesen worden ist (BAG vom 09.12.2009 – NZA 2010, 895). Dabei genügt es nicht, dass in dem Teilbereich Ärzte der Entgeltgruppe I tätig sind. Dem Oberarzt muss auch mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe II unterstellt sein (vgl. BAG – a.a.O. Rn. 45). Ferner ist in der Regel erforderlich, dass die Verantwortung für den Bereich ungeteilt bei ihm liegt. Die ungeteilte Verantwortung liegt nicht vor, wenn in einer organisatorische Einheit mehrere Titular-Oberärzte tätig sind, die nur teil- oder zeitweise, etwa bei den Hintergrunddiensten, jeweils allein verantwortlich sind (vgl. BAG vom 09.12.2009 – a.a.O. Rn. 52; BAG vom 22.09.2010 – 4 AZR 166/09 Rn. 41).

(2) Eine ungeteilte Übertragung der medizinischen Verantwortung liegt aber schon deshalb nicht vor, weil – unabhängig von der Tätigkeit des Chefarztes – in der Zeit ab 01.08.2006 , für den der Kläger die tarifliche Vergütung geltend macht – sogar fachfremde Patienten auf der Station jedenfalls nicht vom Kläger behandelt wurden und seit 01.03.2009 einen Teil der Patienten gerade auf der Unfallchirurgie auf der Station IV der Oberarzt Dr. F. betreut. Schon deshalb ist die auf der Station IV tätige Fachärztin auch jedenfalls nicht alleine dem Kläger unterstellt. Darauf, wie sich die Aufteilung auf der Station auf die Vorgesetztenstellung im Hinblick auf das Krankenpflegepersonal sowie das sonstige medizinische Hilfspersonal auswirkt, kommt es nicht mehr an.

dd) Im Übrigen fehlt es aber auch an einer ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber.

Dabei kann offenbleiben, ob aufgrund des Umstands, dass der Tarifvertrag die Übertragung der medizinischen Verantwortung verlangt, dies voraussetzt, dass die Übertragung alle Patienten der Unfallchirurgie oder zumindest der Station IV betreffen muss (vgl. LAG Düsseldorf ZTR 2008, 675) und das Tarifmerkmal dann schon deshalb ausscheiden würde, weil viele Patienten der Unfallchirurgie gerade nicht auf der Station IV behandelt werden und selbst auf der Station IV dem Kläger die Verantwortung nicht für alle Patienten übertragen ist. Es fehlt an einer ausdrücklichen Übertragung.

(1) Auch zu diesem Tarifmerkmal hat die erkennende Kammer bereits in der Entscheidung vom 22.04.2009 (10 Sa 300/08) hingewiesen, dass es für die tarifliche Bewertung einer ausgeübten Tätigkeit es schon allein allgemein darauf ankommt, dass dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit auch übertragen wurde, was der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen und zu beweisen hat (vgl. BAG vom 08.03.2006 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG „Tarifverträge: Telekom“). Eine Übertragung kann dabei nicht allein durch Vorgesetzte sondern regelmäßig nur mit Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle erfolgen (vgl. BAG vom 11.03.1998 – AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT „Lehrer“; BAG vom 26.03.1997 – AP Nr. 223 zu §§ 22, 23 BAT 1975; LAG Köln ZTR 2001, 72). Das muss erst recht gelten, wenn dies die Tarifvertragsparteien hier durch die Voraussetzung einer Übertragung durch den Arbeitgeber noch betonen. Dann kann dies nur durch eine konkrete Anordnung des dafür zuständigen Organs des Arbeitgebers erfolgen (vgl. BAG vom 25.10.1995 – AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Gerade durch die zusätzliche Verwendung des Wortes „ausdrücklich“ – im Gegensatz beispielsweise zur Regelung für die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder – haben die Tarifvertragsparteien dieses Erfordernis noch betont und damit auch klargestellt, dass durch ein stillschweigendes Dulden einer Tätigkeit keine Übertragung erfolgen kann.

(2) Eine ausdrückliche Übertragung ist an den Kläger nicht erfolgt. Soweit der Kläger dies aus dem Schreiben der Beklagten vom 07.02.2006 herleiten will, ist das für eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung schon deswegen nicht tauglich weil es zum einen die Tätigkeit des Klägers als Strahlenschutzbeauftragten betrifft und „Zuständigkeitsbereich“ ohnehin nicht mit „medizinischer Verantwortung“ gleichzusetzen ist. Auch ein Organigramm, das ohnehin nur etwas über die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt seiner Erstellung aussagen kann, enthält keine Übertragung einer medizinischen Verantwortung. Erst recht folgte ein ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung nicht aus einer Dienstanweisung des Chefarztes vom 01.07.2004 (Bl. 59 d. A.). Diese Dienstanweisung richtet sich schon ihrem Wortlaut nach an alle Oberärzte und schließt es schon deshalb aus, dass damit der Chefarzt – dessen Zuständigkeit unterstellt – jedem Oberarzt die medizinische Verantwortung für seinen Teilbereich übertragen wollte. Vielmehr machte der Chefarzt mit dieser Dienstanweisung von seinem Direktionsrecht gem. § 106 GewO Gebrauch. Der Ausübung des Direktionsrechts kommt keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zu. Es konkretisiert die bestehende Rechtslage. Eine Änderung oder Erweiterung des der Rechtslage zugrundeliegenden Vertrages ist erkennbar durch diese Anweisung nicht gewollt. Wenn der Chefarzt damit nur den Vollzug des bestehenden Vertrages regeln und durchsetzen wollte, fehlt es bereits an einer Willenserklärung (vgl. BAG vom 25.07.2006 – AP Nr. 8 zu § 6 ArbPlSchG). Damit liegt auch keine ausdrückliche Übertragung einer medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber vor.

d) Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Höhergruppierung nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu.

aa) Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz ist es dem Arbeitgeber verwehrt, einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen im Arbeitsverhältnis auszuschließen und schlechter zu stellen.

Dieser Grundsatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht finden lässt (vgl. etwa. BAG vom 21.07.1993 – AP Nr. 171 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 6 zu § 12 AVR Diakonisches Werk).

bb) Zwar kann der Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Bereich der Vergütung Anwendung finden.

Dies ist jedoch nur der Fall, wenn der Arbeitgeber die Leistungen hier selbst nach einem generalisierenden Prinzip erbringt (vgl. BAG vom 27.08.2008 – AP Nr. 210 § 1 TVG „Auslegung“). Daran fehlt es hier bereits. Denn die Beklagte hat – vom Kläger nicht widersprochen – Herrn Dr. F. zunächst zur Erprobung und dann nach Übertragung der entsprechenden Tätigkeit in die Entgeltgruppe III später IV des TV-Ärzte/VKA höhergruppiert. Damit wollte sie ersichtlich bei der Eingruppierung des Dr. F. den Bestimmungen des Tarifvertrags Folge leisten. Bereits dies schließt die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus (vgl. BAG vom 15.04.2008 – AP Nr. 133 zu § 87 BetrVG 1972 „Lohngestaltung“; BAG vom 08.09.1999 – AP Nr. 15 zu § 1 TVG „Tarifverträge: Papierindustrie“; BAG vom 26.08.1997 – AP Nr. 20 zu § 611 BGB „Fleischbeschauer-Dienstverhältnis“).

cc) Im Übrigen wäre der Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann nicht verletzt, wenn die Beklagte Herrn Dr. F. bewusst übertariflich bezahlt hätte.

Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz schließt die Bevorzugung einzelner Mitarbeiter nicht aus (vgl. BAG vom 18.02.2003 – AP Nr. 53 zu § 16 BetrAVG; BAG vom 17.05.2001 – AP Nr. 85 zu §§ 22, 23 BAT „Lehrer“). Deshalb ist vom Arbeitnehmer zu verlangen, dass er über den Einzelfall hinaus eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den Arbeitgeber darlegt, wenn er daraus Ansprüche herleiten will (vgl. BAG vom 10.07.1996 – AP Nr. 6 zu § 12 AVR Diakonisches Werk). Dies ist nicht der Fall.


III.

Die Berufung des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kammer hat für den Kläger die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann der Kläger Revision einlegen.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Die Revision muss beim Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Postanschrift: Bundesarbeitsgericht 99113 Erfurt Telefax-Nummer: 0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände

- für ihre Mitglieder

- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder

oder

von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,

- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt

- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.

Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de

Moeller Lauer Jonietz
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