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Pressemitteilung
C-112/11;
Verkündet am: 
 01.03.2012
EuGH Europäischer Gerichtshof
 

Rechtskräftig: unbekannt!
Nach Auffassung von Generalanwalt Mazák darf ein Reisevermittler beim Verkauf von Flugscheinen die Reiserücktrittsversicherung nicht automatisch einbeziehen
Leitsatz des Gerichts:
Derartige „fakultative Sonderleistungen“ dürfen lediglich auf einer „Opt-in“-Basis angeboten werden
Zum Urteilstext (Englisch!)
Zur englischen Version der Presserklärung

Die Verordnung Nr. 1008/20081 soll für größere Transparenz bei den Flugpreisen für die aus der EU startenden Flüge sorgen. Sie verlangt daher von Flugscheinverkäufern, stets den „Endpreis“ auszuweisen, der den Flugpreis sowie alle anwendbaren Steuern und Gebühren, Zuschläge und Entgelte, die unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Endpreises vorhersehbar sind, einschließen muss. Sonderleistungen unter dem Stichwort „Fakultative Zusatzkosten“ sind auf klare Art und Weise am Beginn jedes Buchungsvorgangs mitzuteilen und müssen durch den Kunden auf „Opt-in“-Basis angenommen werden.

ebookers.com Deutschland betreibt ein Online-Reiseportal, über das sie Flugscheine anbietet. Wenn der Kunde während des Buchungsvorgangs einen bestimmten Flug ausgewählt hat, erscheint auf der Seite oben rechts unter der Überschrift „Ihre aktuellen Reisekosten“ eine Aufstellung der Kosten. Diese Aufstellung enthält neben den Kosten für den Flug selbst einen Betrag für „Steuern und Gebühren“ und die weitere Überschrift „Versicherung Rücktrittskostenschutz“. Sodann ist der „Gesamtreisepreis“ angegeben. Am Ende der Seite wird der Kunde darauf hingewiesen, wie er im Wege des „Opt-out“ den Abschluss der Versicherung vermeiden kann. Zahlt der Kunde nach endgültiger Buchung, entrichtet ebookers.com dann die anfallenden Flugkosten an die Fluggesellschaft, die Steuern und Gebühren an die entsprechenden Stellen und die Versicherungsprämie an die Versicherungsgesellschaft. Die Versicherungsgesellschaft gehört rechtlich und wirtschaftlich nicht zu dem Luftverkehrsunternehmen.

Wegen dieser Praxis des automatischen Einbeziehens der Reiserücktrittsversicherung in den Flugpreis wurde ebookers.com von einem deutschen Verbraucherverband vor den deutschen Gerichten verklagt. Das Oberlandesgericht Köln hat in diesem Zusammenhang dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Kosten für solche Leistungen Dritter, die von dem den Flug verkaufenden Unternehmen in einem Gesamtpreis gemeinsam mit dem Flugpreis vom Fluggast erhoben werden, „fakultative Zusatzkosten“ darstellen mit dem Ergebnis, dass sie auf „Opt-in“-Basis angeboten werden müssen.

Soll die Verordnung ihren Zweck erreichen, die Kunden in die Lage zu versetzen, die Flugpreise effektiv zu vergleichen, muss – darauf weist Generalanwalt Ján Mazák in seinen Schlussanträgen vom heutigen Tag hin – der Endpreis, den der Kunde sieht, auf gleichartige Dienste bezogen sein und, soweit wie möglich, gleichartige Preisbestandteile enthalten. Aufgrund des Erfordernisses, dass solche Gebühren und Entgelte, die unvermeidbar und vorhersehbar sind, in den Endpreis einzuschließen sind, wird der Kunde genau über die tatsächlichen Kosten eines Fluges von A nach B informiert und kann die Preise verschiedener Fluggesellschaften oder Flugscheinverkäufer vergleichen.

Im Gegensatz dazu können zu Vergleichszwecken die „Zusatzkosten“ nicht als Bestandteil des Endpreises angesehen werden. Sie sind definitionsgemäß „fakultativ“, betreffen also „Sonderleistungen“, die der Kunde wahlweise annehmen kann oder nicht. Wären die Kosten für solche fakultativen Sonderleistungen als Bestandteil des Endpreises anzusehen, würde der Grundsatz, die Vergleichbarkeit dieser Preise zu ermöglichen, unterminiert, da sich die Preise auf breit gestreute Leistungen beziehen könnten.

Nach Auffassung des Generalanwalts dient jedoch das Erfordernis, dass fakultative Zusatzkosten auf „Opt-in“-Basis und nicht auf „Opt-out“-Basis angeboten werden, einem anderen Zweck als dem, die Vergleichbarkeit der Preise zu gewährleisten, nämlich dem Ziel des Verbraucherschutzes. Diese Regelung verhindert, dass Kunden bei der Buchung eines Fluges dazu veranlasst werden, unnötige Sonderleistungen zu vergüten, es sei denn, sie treffen aktiv und ausdrücklich die Wahl, solche zusätzlichen Angebote und die dafür anfallenden Kosten anzunehmen.

Um dieses Ziel zu erreichen – so schlussfolgert Generalanwalt Mazák – muss der Begriff „fakultative Zusatzkosten“ die Kosten für eine Leistung wie die Reiserücktrittsversicherung, die im Zusammenhang mit einem Flug angeboten und gebucht wird, umfassen. Demnach sollte die Leistung auf „Opt-in“-Basis angeboten werden.

Den Umstand schließlich, dass Leistungen von Dritten angeboten werden, hält er für irrelevant. Es wäre mit dem Ziel des Verbraucherschutzes nicht vereinbar, wenn dieser Schutz davon abhinge, ob die fakultative Leistung von einem Luftfahrtunternehmen oder von einem rechtlich selbständigen Unternehmen ausgeht oder ob diese Leistung fester Bestandteil eines Luftverkehrsvertrags ist oder nicht. Maßgebend ist seines Erachtens nicht die Tatsache, dass die betreffenden Zusatzkosten auf ein Luftfahrtunternehmen oder eine mit diesem in Verbindung stehende Agentur zurückgehen oder im engeren Sinne für Luftverkehrsdienste entrichtet werden, sondern die Tatsache, dass die fakultative Leistung und der dafür anfallende Preis im Zusammenhang mit dem Luftverkehrsdienst/Flug angeboten werden und in einem einheitlichen Vorgang mit diesem gebucht werden können.

Der Generalanwalt gelangt daher zu dem Ergebnis, dass bei der Buchung eines Fluges angebotene Leistungen wie eine Reiserücktrittsversicherung, unabhängig davon, ob diese Leistung von einem Dritten angeboten wird, dem Kunden auf „Opt-in“-Basis angeboten werden müssen.

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HINWEIS: Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.

HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
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1Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung) (ABl. L 293, S. 3).
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